Aktuelle Zahlen zu vorherrschenden antisemitischen Überzeugungen in Deutschland sind erschreckend. Sie tragen die Pflicht in sich, überall dagegen Stellung zu beziehen. Antisemitische Übergriffe und Anschläge passieren nicht durch einzelne Täter*innen in einem luftleeren Raum. Sie sind Resultat einer Kontinuität antisemitischer Gedanken und eines gesellschaftlichen Klimas, die diesen frönt, statt sie zu bekämpfen.
In einem Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe vom Jungen Forum der DIG soll Antisemitismus in Burschenschaften und Studentenverbindungen beleuchtet werden. Von der Verbrennung von jüdischer Literatur auf dem Wartburgfest 1817 über den „Berliner Antisemitismusstreit“ von 1879, dem „Aufgehen“ vieler Verbindungen im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) bis hin zur Debatte um einen „Arier-Nachweis“ innerhalb der Deutschen Burschenschaft im Jahr 2011; Antisemitismus ist ein verbindendes Element der Geschichte der Korporationen über verschiedene Organisationsformen hinweg. Dieser Geschichte soll nachgegangen und der Wandel und die Kontinuität bestimmter Formen des Antisemitismus aufgezeichnet werden.
Insbesondere der Umgang mit der eigenen Historie ist oft gekennzeichnet von starkem Revisionismus. So wird insbesondere das Bild, ein Opfer des Nationalsozialismus gewesen zu sein, in vielen Korporationen gepflegt, obgleich zuhauf eine Umwandlung in Kameradschaften erfolgt ist und das Gedankengut des Nationalsozialismus akzeptiert und teils bejubelt wurde. Auch in Münster wurden am 10.05.1933 Bücher verbrannt unter reger Beteiligung von Korporierten – auch von katholischen Studentenverbindlern. Zweifelhaftes Heldengedenken wird auch heute noch gepflegt, indem beispielsweise beim Volkstrauertag, dem Gedenktag „zu Ehren der Opfer von Krieg und Gewalt“ Kränze niedergelegt werden ohne Abgrenzung zu oder kritischem Gedenken an Wehrmachtssoldaten.
Immer wieder wird auch die Alleinschuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg bestritten und „verlorenen Siedlungsgebieten“ nachgetrauert. Dies schlägt die Brücke zu rechtsradikalen Überzeugungen in der Szene und Verbindungen in das radikal rechte Milieu. Personelle Überschneidungen gibt es auch bei Burschenschaften in Münster mit Kadern der antisemitischen Partei AfD und der Identitären Bewegung. Hier ist sekundärer Antisemitismus vorherrschend, den es zu dekonstruieren gilt. Er findet sich auch wieder in der Ablehnung der Moderne, die einen breiten Zuspruch über Verbindungsformen hinweg erfährt.
Der Vortrag soll mit Beispielen aus Münster über Antisemitismus in Burschenschaften und Verbindungen aufklären und somit zu einer kritische Auseinandersetzung mit diesen führen.
Der Arbeitskreis Verbindungswesen Münster hat sich vor ca. 2 Jahren gegründet, um das Thema Verbindungen und Burschenschaften mit einem kritischen Blick in die Münsteraner Universitäts- und Stadtöffentlichkeit zu bringen. In der Vergangenheit wurde das insbesondere durch Vorträge und Stadtrundgänge verfolgt. So auch in diesem Fall.
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