"Die Stadt pennt!"

"Die Stadt pennt!"

Neues Bündnis fordert eine radikale Wende in der Wohnungspolitik

Auftakttreffen von MSGUA in der LEo-Kneipe am 03.05.2019

“Münster entwickelt sich zunehmend zu einer Stadt ausschließlich für Reiche und für diejenigen, die sich an ihr bereichern” – diese Klage stand im Zentrum des Auftakttreffens eines neuen politischen Bündnisses namens „Münster gehört uns allen!“ (MSGUA) am Freitag, den 03.05.2019, in der Kollektivkneipe Leo:16. Von der Politik und Verwaltung Münsters fordern die Vertreter*innen der Gruppe eine „radikale Wende in der Wohnungspolitik bis hin zur Enteignung von profitorientierten Wohnungsunternehmen“. Wohnen sei kein Geschäftsmodell, sondern „Grundrecht und zentrale Aufgabe kommunaler Daseinsvorsorge“.

Bei MSGUA sammeln sich Menschen aus linken Wohnprojekten und Initiativen, aber auch politisch engagierte Einzelpersonen. Sie eint der Unmut über die einseitige profitorientierte Ausrichtung der hiesigen Wohnungspolitik. Trotz aller Rhetorik kümmerten sich die Verantwortlichen in Verwaltung und Politik mehr um die Gewinninteressen von Investoren als um die Belange von Menschen ohne überdurchschnittliches Einkommen. Besonders schwer hätten es Menschen mit Migrationshintergrund oder Behinderungen in der sich doch ansonsten gerne zur Farbigkeit bekennenden Westfalenmetropole.

Etwa 30 Menschen folgten der Einladung in die Kneipe des Kneipenkollektivs Leo:16 am Hauptbahnhof; viele von Ihnen selbst betroffen von steigenden Mieten und der Angst vor Verdrängung aus ihren Wohnungen. Einige engagieren sich bereits in anderen Initiativen am Hafen oder im Südviertel. Auch die vor kurzem gegründete LEG-Mieter*inneninitiative war vertreten. Überall verschärfe sich die Situation merklich, berichteten die Teilnehmer*innen einhellig. Diskutiert wurden verschiedene Aspekte wie die Wohnraumverdichtung und die Verkehrsproblematik. Auch die weitreichenden Folgen für Menschen, die auf der Straße leben, wurden beleuchtet; ebenso die Schwierigkeiten, inklusive Wohnprojekte in Münster zu etablieren. Viele der Anwesenden kritisierten scharf sowohl die gewinnorientierten Investoren selbst als auch die aktuelle investorenfreundliche Politik der Stadt. Einer der Teilnehmer*innen brachte den herrschenden Unmut auf den Punkt: “Die Stadt pennt. Und die Investoren werden überschwemmt mit Geld”. Kein Wunder, dass die Anwesenden der viel diskutierten Option einer Enteignung von Firmen deutlich aufgeschlossen bis fordernd gegenüberstanden.

Kritik an Verwaltung und Politik findet sich auch im Aufruf des Bündnisses – aber ebenso konkrete Forderungen: Mehr und stärkere Beteiligung von Bürger*innen bei der Planung soll es ebenso geben wie Mieter*innenräte bei öffentlichen Wohnungsgesellschaften wie der Wohn- und Stadtbau. Mehr sozialen Wohnungsbau will die Gruppe wie andere auch, betont dabei aber die Notwendigkeit einer echten nachhaltigen Politik. „Günstigen Wohnraum bewahren und zugleich bewusst und ausschließlich diejenigen fördern und bevorzugen, die dauerhaft niedrige Mieten garantieren“, so lautet das Credo der Gruppe. Im bislang üblichen Investorenmodell fallen die Sozialwohnungen nach 20 Jahren aus der Förderung. Die mit öffentlichen Mitteln stattlich subventionierten Wohnungen werden damit schließlich doch zu renditeträchtigen Vermarktungsobjekten.

Auch die kommunalen Vergabeverfahren stehen im Visier der Kritik. Die Gemeindeordnung biete explizit Möglichkeiten, Grundstücke unter dem Verkehrswert zu verkaufen, wenn es um soziale Belange geht. Auch hier seien es aber bislang nur privatwirtschaftliche Investoren, die von reduzierten Festpreisen profitierten. Genossenschaften und Wohnprojektinitiativen nach dem Mietshäuser-Syndikat-Modell schaffen mit tragfähigen Konzepten dauerhaft günstigen Wohnraum, hätten aber bei öffentlichen Ausschreibungen keine Chance, weil die Stadt bislang nicht bereit sei, ihnen im Vergabeverfahren ebenfalls preislich entgegenzukommen.

Der Blick in andere Städte zeigt, wie es gehen kann: Tübingen, Wien, Amsterdam, Hamburg und sogar München bieten nach Ansicht der Aktivist*innen mehr und Besseres als Münster, um die Probleme der Wohnungsnot nachhaltig in den Griff zu kriegen. Besondere Aufmerksamkeit lenkt MSGUA dabei auf die Erbpacht-Modelle in einigen Städten. Statt mit ihren Grundstücken einfach nur wirtschaftlich zu makeln, böte die Verpachtung effektive Einflussmöglichkeiten, was und wie welche Wohnungen auf den vergebenen Flächen entstehen. Erst damit sei eine nachhaltig soziale Stadtplanung realisierbar.

Mit ihrer Auftaktveranstaltung erhofft sich MSGUA weitere Mitstreiter*innen, die sich einer emanzipativen linken Politik verpflichtet fühlen, denen das Schicksal Münsters nicht egal ist und die sich einbringen wollen, um Münster zu einer wirklich lebenswerten und für alle bewohnbaren Stadt zu machen. Eine aktive Zusammen- und Mitarbeit im Netzwerk gegen das symbolträchtige E-Center am Hafen wurde bereits am Abend verabredet.

Kontakt und weitere Informationen über MSGUA unter http://msgua.de/

Autor*in
Matthias Kayß

Kommentare

Niedrige Mieten, ist das ein Witz?

Jährlich kommt eine Kleinstadt (200000) und bereichert den Wohnungsmarkt und die Sozialkassen.

Wie verblendet muß man sein.

Hat sich jetzt etwas an der Invasorenzahl geändert?  Ob Klein-oder Großstadt, die Zahl bleibt und die Verblendeten ebenfalls.