In der klassischen deutschen Philosophie gilt Subjektivität als allgemeine menschliche Voraussetzung für Selbsterkenntnis sowie Selbstbestimmung, mithin für Verwirklichung von Freiheit. Dementgegen fasst Judith Butler das vernünftige Subjekt als eine bestimmte Identität auf, die aufgrund ihrer Bestimmtheit Ausschlüsse erzwingt. Wie alle Identitäten ist ihr zufolge auch das vernünftige Subjekt ein konstruiertes Ideal, das von Individuen nie realisiert werden kann. Die idealen Identitäten existieren demnach allein als Bezugspunkt, der notwendigerweise im Handeln verfolgt, aber nicht verwirklicht werde. Das gelte allgemein und nicht nur für die von Butler kritisierten Identitäten wie die Frau, der Mann oder Heterosexualität. Verbunden mit dem unvermeidbaren Scheitern seien für gewöhnlich leidvolle Erfahrungen. Dennoch erkennt Butler Identitäten als notwendig zur Ausbildung von Selbstbewusstsein an. Selbstbewusstsein entstehe folglich durch die Identifikation mit einer bestimmten Identität, wobei diese nie erreicht werde. Auch die erstrebte Identifizierung ist kein Akt von zumindest Willkürfreiheit, sondern durch den Diskurs vorgeben. Mit dem Diskurs ist der Einzelne durch sein bestimmtes Handeln und Denken verwoben und sucht auf mehr oder weniger bewusste Weise, die ihm dort vorgegebenen Identitäten zu realisieren. Butlers Vorstellung von „Subjektivierung“ ist demnach die im Handeln erfolgende „Unterwerfung“ unter eine bestimmte Identität. Im Vortrag soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern in Butlers theoretischen Rahmen die von ihr beanspruchte Emanzipation überhaupt möglich sei, wenn außerhalb der vorgegebenen Identitäten kein Selbstbewusstsein bestehe, das sich kritisch auf jene beziehen könne. Obschon Hegel in einer gewissen Analogie zu Butlers Performativitätstheorie seinen Begriff von Individualität aufstellt, entwickelt er diesen ausgehend von einer „ursprünglichen-bestimmten Natur“ bis hin zu einem allgemeinen Selbstbewusstsein. Aufgrund dieser Nähe soll Butler mit den Unterschieden zu Hegels Genese individuellen Selbstbewusstseins konfrontiert werden.
Carolyn Iselt promoviert am Philosophischen Seminar der Universität Münster über Hegels Phänomenologie des Geistes.