Gedenkveranstalung: Nichts ist vorbei. Ein Jahr nach dem 7. Oktober

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Der 7. Oktober war eine Zäsur. An diesem Tag wurden über eintausend Menschen ermordet. Es war ein pogromartiges Massaker, bei dem so viele Jüdinnen*Juden getötet wurden, wie an keinem anderen Tag seit der Shoah. 239 Menschen wurden als Geiseln verschleppt. Die Hamas und mit ihr verbündete Gruppierungen gingen mit brutalster, auch sexualisierter Gewalt vor. Es war ein Ausbruch genuin antisemitischer Gewalt: Das Massaker zielte auf Demütigung und Vernichtung ab und reaktivierte bewusst intergenerationale Traumata in einer Bevölkerung, die seit Jahrhunderten dem Ausbrechen von Pogromen bis zum Versuch der systematischen Vernichtung ausgesetzt war. Insbesondere sollte die Funktion des Staates Israels, den Jüdinnen*Juden weltweit einen Raum des Selbstschutzes und der Selbstbestimmung zu gewähren, angegriffen werden.

Als all das schloss der Akt der Hamas an eine sich durchziehende antisemitische Dimension des „Nahostkonfliktes“ an, welcher von Anbeginn auch auf eine ideologisch motivierte Ablehnung einer selbstbestimmten jüdischen Präsenz in der Region abzielte und im Kampf gegen den Staat Israel eine Ersatzhandlung für andere Konflikte vollzog. Das Massaker des 7. Oktobers sollte außerdem – darin ganz im Sinne des antisemitischen Regimes der Mullahs in Iran – die voranschreitenden Annäherungs- und Normalisierungsversuche in der Region sabotieren.

Global brach in den folgenden Tagen und Monaten eine Welle von Antisemitismus aus, die eine massenhafte und bedrohliche Mobilisierung erzeugte. Dabei wurde das Massaker der Hamas zum Widerstandsakt verklärt und – noch bevor die Operationen der israelischen Streitkräfte begannen – Israel als Aggressor dargestellt, seinen Reaktionen eine Vernichtungsintention unterstellt und der jüdische Staat wie so oft zum absoluten Feind erklärt. Weltweit wurden in diesem Zusammenhang Jüdinnen*Juden und jüdische Einrichtungen zum Ziel von Attacken gemacht und das Leben von Jüdinnen*Juden so massiv bedroht.

Ein Jahr danach müssen wir leider sagen: Nichts ist vorbei. Noch um die 100 Menschen werden von der Hamas als Geiseln gefangen gehalten, mehr wurden ermordet. Über die Grausamkeit der Taten vom 7. Oktober und der Geiselhaft in Gaza wird Tag für Tag mehr bekannt. Gleichzeitig hat der Krieg im Gazastreifen eine humanitäre Katastrophe und mehr als 30 000 Tote (die meisten davon Zivilist*innen) als Konsequenz gehabt, was Trauer und Betroffenheit hervorbringen muss. Tausende gehen nun in Israel für die Befreiung der Geiseln und kritisch gegenüber der Regierung auf die Straßen. Währenddessen werden die Geiseln weiterhin durch die Hamas als Mittel der Erpressung eingesetzt und Israel bleibt dem Vielfrontenkrieg des Irans und seiner Proxys ausgesetzt.

In dieser Situation wird selbst das Trauern erschwert - Zeit zum Erinnern hat kaum Platz.

Wir möchten auch in Münster einen Raum für ein gemeinsames Gedenken, für das Teilen von Schmerz und Sprachlosigkeit schaffen. Wenn es aber gilt „sich einer Erinnerung [zu] bemächtigen, wie sie im Augenblick einer Gefahr aufblitzt“ (Walter Benjamin), dann bedeutet Gedenken auch, sich der spezifischen Gefahr gewahr zu werden, die für Jüdinnen*Juden aufgrund der Funktionsweise und des eliminatorischen Charakters des Antisemitismus immer zumindest implizit anwesend ist – und zu fragen, was nötig ist, damit die Worte „nie wieder“ und „we will dance again“ Wirklichkeit werden.

Kommt zur Gedenkveranstaltung am 7.10. um 18 Uhr am Prinzipalmarkt.

 

[Eine Veranstaltung von: Jüdische Gemeinde Münster, Jugendbündnis gegen Antisemitismus (Münster), Projektstelle Kontra Antisemitismus (AStA Uni Münster), Arbeitsgemeinschaft Münster der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Plattform Minimum (Münster)]

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