Pressemitteilung: Aus der Krippe in die Abschiebehaft

Münster. Am heutigen Samstag, den 05.12.19 wurden aus den Krippen mehrerer Münsteraner Kirchen die Figur des Josef abgeschoben. Dadurch soll auf die inhumane Abschiebschiebepraxis und auf das 100-jährige Bestehen von Abschiebehaftanstalten in Deutschland hingewiesen werden.
„Seit genau 100 Jahren werden Menschen in Deutschland in Abschiebegefängnisse gesteckt, um sie von dort aus abzuschieben“, so Beate Pauling, Vertreterin der Gruppe dieser Kunstaktion. „Abschiebehaft widerspricht nicht nur jeglichen humanen Grundsätzen, sondern ist in der Praxis vollkommen willkürlich.“ Jede Form der Abschiebehaft ist ein enormer Eingriff in die Selbstbestimmung von Menschen und wird in vielen Fällen eingesetzt, obwohl es rechtswidrig ist: Der Hannoveraner Anwalt Peter Fahlbusch hat seit 2002 bei über der Hälfte seiner Mandanten Klagen gegen deren Abschiebehaft gewonnen, da sie zu Unrecht angeordnet wurde.
„Auch aus Münster werden Menschen unangekündigt abgeschoben. Diese Stadt ist keine Ausnahme mit ihrer inhumanen Abschiebepraxis.“ Erst kurz vor Weihnachten wurde eine Familie mit zwei kleinen Kindern unangekündigt und mitten in der Nacht aus Roxel abgeschoben. Bekannte der Familie bekamen dies mit. „Oft geschehen Abschiebungen, ohne dass die Münsteraner Bevölkerung davon etwas merkt“, so Pauling weiter.

In den Krippen mit den fehlenden Josefs-Statuen befindet sich ein Abschiebungsbescheid im Stile des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Dieser Bescheid, in dem die Abschiebung von Josef nach Nazareth angeordnet wurde, sowie ein Erklärungstext wurden in den Kirchen angebracht. Die politische Kunstaktion möchte auf diese Weise die Münsteraner Öffentlichkeit auf Abschiebungen und Abschiebehaft aufmerksam machen.

Autor*in
Melchior

Kommentare

https://www.wn.de/Muenster/3607423-Protestaktion-in-Kirchen-Wenn-Josef-ploetzlich-verschwindet

Protestaktion in Kirchen

Wenn Josef plötzlich verschwindet

Münster - Eine namentlich nicht bekannte Gruppe hat am Wochenende mit einer politischen Kunstaktion auf Abschiebung und Abschiebehaft aufmerksam gemacht. Aus den Krippen mehrerer Kirchen sei die Figur des Josef abgeschoben worden. Von Ralf Repöhler

Der Josef ist da! Gott sei Dank. Wie am Wochenende aus der Gemeinde St. Joseph in Münster-Süd zu erfahren war, stand die Holzfigur am Samstagnachmittag wie gewohnt an ihrem angestammten Platz in der Kirche an der Krippe. Vielleicht ein wenig versetzt.

Ein gefälschter Abschiebebescheid im Stil des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge lag vor dem Jesus-Kind. Danach sei „der Asylantrag des Josef von Nazareth als unzulässig abgelehnt worden“, heißt es da.

Mit einer nach eigenen Angaben politischen Kunstaktion weist eine namentlich nicht bekannte Gruppe auf die „inhumane Abschiebepraxis und auf das 100-jährige Bestehen von Abschiebehaftanstalten in Deutschland“ hin. Aus diesem Grund sei am Samstag „aus den Krippen mehrerer Kirchen in Münster die Figur des Josef abgeschoben worden“. Ein Fake-Bescheid und ein Erklärungstext seien dort ausgelegt worden.

Die mit den Kirchengemeinden nicht abgestimmte Aktion wolle auf Abschiebung und Abschiebehaft aufmerksam machen. „Auch aus Münster werden Menschen unangekündigt abgeschoben“, so eine Vertreterin der Gruppe. Zuletzt war im Dezember eine Familie, die in Roxel lebte, nach Georgien ausgeflogen worden.

Das Bistum Münster reagiert gelassen. „Das Anliegen, auf humanitäre Abschiebeverfahren hinzuweisen, ist ja durchaus berechtigt“, sagt Sprecher Dr. Stephan Kronenburg, der sich zur Form indes nicht äußern wollte. Bei der Polizei ist keine Anzeige wegen fehlender oder beschädigter Krippenfiguren eingegangen.

Figuren kehren in Münsteraner Krippen zurück

Münster. Die Josefsfiguren sind in die Münsteraner Kirchen zurückgekehrt. Dem hl. Josef erging es wie vielen Geflüchteten, deren Abschiebehaft sich im Nachhinein als rechtswidrig herausstellt: auch sein Bescheid über die Anordnung der Abschiebehaft wurde nun zurückgenommen und der hl. Josef ist mit dem Rest seiner Familie in der Krippe wiedervereint.

Am Samstag, 5.12., waren aus den Krippen der Kirchen St. Josef, St. Antonius, St. Theresia und St. Anna in Mecklenbeck die Josefsfiguren kurzzeitig entfernt worden, um durch diese Kunstaktion Menschen in unserer Stadt wie darüberhinaus auch in der Weihnachtszeit für das Leiden derjenigen, die in Abschiebehaft genommen werden, zu sensibilisieren. Hier werden Menschen inhaftiert, ohne je ein Verbrechen begangen zu haben. Denn Flucht und Migration sind Menschenrechte, keine Verbrechen! Abschiebehaft traumatisiert Menschen, die meist schon schwere Leidenserfahrungen auf ihrer Flucht überstehen mussten, ein weiteres Mal.

Die InitiatorInnen der Aktion erhoffen sich dadurch für das 2019, in dem an 100 Jahre Abschiebehaft in Deutschland gedacht wird, eine breit angelegte Debatte um die inhumane Praxis der Abschiebehaft und ein Bemühen um deren Abschaffung. Es wäre wünschenswert, dass diese Debatte in der Stadtöffentlichkeit geführt wird und zu einem politischen Engagement für ein Ende von Abschiebehaft führt.

https://twitter.com/in_nicht/status/1081587743883436032?s=19