How to treat the health system?

Bild
Datum
Ort

Wer Solidarität sagt, muss auch Krankenhäuser vergesellschaften?

Digitale Diskussionsrunde im Livestream: https://www.youtube.com/watch?v=iMpPkGuumUk

Wir Alle erleben aktuell eine bisher einzigartige Situation. Wir befinden uns in einer Krise, die uns allen ein verändertes Verhalten abverlangt, im beruflichen, vor allem jedoch im privaten Feld.
Gleichzeitig lassen die krisenhaften Zustände tiefer blicken in den Aufbau unserer Gesellschaft: Wir bekommen ein neues Verständnis für infrastrukturelle Zusammenhänge, politische Entscheidungsprozesse und Missstände in unserem staatlichen System und unserem sozialen Gefüge.

Es offenbaren sich Mängel, die seit Jahrzehnten strukturell angelegt sind und die eine ausreichende Versorgung der Patient*innen jetzt furchtbar erschwert. Es zeigt sich zum Beispiel die immense Diskrepanz zwischen der medizinischen Versorgung auf dem Land und in der Stadt, wobei man in diesem Fall auf keiner der beiden Seite stehen wollte: Während ländliche Kliniken schon mit wenigen Covid-Fällen an ihre Kapazitätsgrenzen kommen und versuchen müssen, sie an große städtische Zentren zu „verschachern“, sinkt das Niveau der Arbeitsbedingungen in großen Einrichtungen in noch viel rasanterem Tempo als andernorts; Rücksicht auf das medizinische Personal ist angesichts der enormen Welle an Arbeitsaufkommen nicht mehr beziehungsweise noch weniger als sonst möglich.
Außerdem kommen Kliniken und Praxen überall, wo sie sich auf die Welle an Covid- Patient*innen vorbereiten, in finanzielle Notlage, da mit dem Ausbleiben der Eingriffe, deren Abrechnung sich über das DRG-System gelohnt hätte, ihre finanzielle Grundlage wegbricht.

Doch wie kann es überhaupt sein, dass Krankenhäuser die medizinische Versorgung nach wirtschaftlicher Rentabilität ausrichten müssen? Was sagt das über die Bedarfsermittlung in unserem Gesundheitssystem, was sagt es über Verteilungsgerechtigkeit und wie soll es so möglich sein, nach der Maxime der Menschlichkeit alle Menschen gleich gut und nach bestem Wissen und Gewissen zu versorgen – vor allem in einer Situation wie der jetzigen?

Diese Frage stellt sich im Rahmen der weltweiten Coronapandemie noch in ganz anderem Ausmaß. Corona trifft alle Regionen dieser Welt, doch es besteht kein Vergleich in Ausmaß und Niveau des Zugangs zu medizinischer Versorgung in den verschiedenen Teilen der Welt. Wie verhalten wir uns im globalen Norden angesichts dieser unmenschlichen Gefälle im Zugang zu Arzneimitteln und technischer Ausrüstung, gerade jetzt, wo unsere eigenen Strukturen schon an ihre Grenzen kommen?

Als Kritische Mediziner*innen war es unter normalen Umständen immer die Aufgabe unserer politischen Arbeit, genau diese Missstände anzuprangern. Wir haben uns gegen Zweiklassenmedizin und das Dictum der Profitmaximierung in Konzernklinikenund Pharmakonzernen eingesetzt – und jetzt ist es genau dieses System, das mitursächlich für so viele Mängel und Probleme in der medizinischen Versorgung ist, mit dem wir gegen die Coronapandemie ankommen müssen.

Es ist unsere Pflicht, in dieser wie in jeder anderen Situation alle Anstrengungen zu unternehmen, die uns möglich sind, um mehr menschliches Leid zu verhindern.
Aufzuzeigen, wie die Krise mit politischen Fehlern zusammenhängt und welche Ideen zur Bekämpfung schon lange bestehender Missstände wir unterstützen, gehört jedoch zu dieser Aufgabe dazu.

Darüber wollen wir mit euch diskutieren und haben hierzu Dr. Nadja Rakowitz eingeladen.
Nadja Rakowitz ist Medizinsoziologin, Geschäftsführerin des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte (VdÄÄ) und aktiv im Bündnis Krankenhaus statt Fabrik (KsF). In den letzten 20 Jahren hat sie in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten, Artikeln, Vorträgen und Diskussionen die Ökonomisierung und die Unterwerfung des medizinischen Versorgungsapparates unter eine neoliberal-kapitalistische Verwertungslogik untersucht, kritisiert und auf Gefahren hingewiesen.

Dr. Nadja Rakowitz wird zunächst einführen in eine soziologische Analyse unseres Gesundheitssystems, sowie eine politökonomische Kritik der Verhältnisse. Sie wird die aktuelle Notsituation einordnen in Kämpfe für eine solidarische, menschenwürdige medizinische Versorgung, die sie schon seit Jahren mit ausficht und Ideen ausformulieren, wie sich die Konzeption des medizinischen Versorgungsapparats verändern sollte bzw. muss.
Anschließend werden wir Fragen stellen und Ihr werdet über ein freizugängliches, moderiertes Pad die Möglichkeit haben, Euch an der Diskussion zu beteiligen. Den Link zu dem Pad werdet ihr im Livestream finden.

Wir freuen uns auf eine spannende und konstruktive Diskussion mit Euch!