Regie: Regina Schilling, Deutschland 2018, 92 min., FSK o.A.
Deutsche Originalversion
Das Fernsehen in den 60ern und 70er Jahren der Bundesrepublik – goldene Zeiten, Einschaltquoten von 80 Prozent. Die Familie saß am Samstagabend im Wohnzimmer, die Kinder frisch gebadet im Schlafanzug auf dem Wohnzimmerteppich, dahinter die Eltern, nicht weniger erwartungsvoll, und freute sich auf „Einer wird gewinnen“ mit Hans-Joachim Kulenkampff, die „Peter-Alexander-Show“ oder „Dalli, Dalli“.
Die Quizshows verhießen leichte Unterhaltung, Entspannung, heile Welt. Die preisgekrönte Dokumentarfilmerin Regina Schilling hat hinter diese makellose Fassade der seichten Unterhaltung geschaut und aufgedeckt, was der Amüsierbetrieb im deutschen Fernsehen tatsächlich war: ein Sedativum für eine vom Krieg traumatisierte und vom Wirtschaftswunder gestresste Gesellschaft.
Was sahen die Väter der Kinder, die da im Schlafanzug vor dem Fernseher saßen, in den Showmastern? Wussten sie, dass Kulenkampff (Jg.1921), sich an der Ostfront vier Zehen eigenhändig amputiert hatte? Fragten sie sich, ob Peter Alexander (Jg. 1926) wohl auch bei der Hitlerjugend gewesen war? Bei der Wehrmacht, in Kriegsgefangenschaft? Wie die meisten jungen Männer dieser Generation? Hatten sie davon gehört, dass Hans Rosenthal (Jg. 1925) jüdisch war und sich in den Kriegsjahren als Vollwaise in einer Berliner Laube versteckte und jeden Moment damit rechnen musste, deportiert zu werden?
Schillings Essayfilm, der vollständig aus Archivmaterial besteht, zeigt Nachkriegsgeschichte auf überraschende, ungewöhnliche und berührende Art und Weise: Anhand von historischen Showausschnitten, Interviews, privatem Super-8-Material, Dokumenten und Fotos eröffnet sich eine neue Sicht auf das Unterhaltungsfernsehen der Bundesrepublik, das angetreten war, die Kriegstraumata einer ganzen Generation zu therapieren.
Montag, 8. Mai 2023 | Schloßtheater | 19:00 Uhr