Seit Sommer 2014 tritt das Bündnis gegen Abschiebungen Münster für ein bedingungsloses Bleiberecht, Bewegungsfreiheit und einen konsequenten Menschenrechtsschutz ein. Als Bündnis von unterschiedlichen Gruppierungen aus den Bereichen Flucht, Migration, Antirassismus und Antifaschismus ist die Arbeit in erster Linie politisch ausgerichtet.
Was war der ausschlaggebende Grund für die Gründung des Bündnisses?
Als Reaktion auf zunehmende Dublin-Abschiebungen aus Münster hat sich das Bündnis 2014 gegründet. Vorbild war damals die No-Lager-Initiative aus Osnabrück, die erfolgreich angekündigte Dublin-Überstellungen blockiert hatte. Als nach der Asylrechtsverschärfung 2015 keine Ankündigung von Abschiebungen mehr stattfinden durfte, konnte ein Blockadekonzept aber auch nicht mehr zu einem effektiven Schutz beitragen.
Das Kirchenasyl und mittlerweile das Bürgerinnenasyl geraten deshalb immer stärker in den Fokus. Das Netzwerk Kirchenasyl Münster haben wir 2015 aus diesem Grund auch mitbegründet.
Mit welchen Aktionen setzen Sie sich gegen Abschiebungen und für ein Bleiberecht ein?
Eine erste größere Aktion war die Verhinderung von zwei Sammelabschiebungen von Menschen aus dem Kosovo aus einer Landesunterkunft in Münster im Mai 2015. Der dritte Versuch wurde mit massivem Polizeiaufgebot schließlich durchgesetzt. Das Bündnis hat dabei immer sehr stark auf die Öffentlichkeitsarbeit gesetzt durch Pressekonferenzen, Veranstaltungen, Spontanbesuche beim Oberbürgermeister, Eingabe einer Resolution zum Abschiebestopp in den Westbalkan usw. Auch eine Kampagne für einen Winterabschiebestopp konnte in der Stadtöffentlichkeit die Skandalisierung von Abschiebungen voranbringen.Weitere Aktionen waren die Mobilisierung gegen die Einrichtung einer Zentralen Ausländerbehörde, die im Wesentlichen Abschiebungen abzuwickeln hat, in Münster 2017/18. Durch die Gründung eines stadtweiten Bündnisses „No ZAB“ und eine breite Öffentlichkeitsarbeit konnte diese schließlich im Rat der Stadt Münster verhindert werden.
Seit 2017 gibt es auch eine Vernetzung mit den lokalen Flüchtlingsinitiativen in den Stadtteilen.
Aktuell ist die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Münster ein wichtiges Thema für uns. Hierzu gab es im letzten Jahr eine Veranstaltungsreihe, die die Isolation und Entrechtung durch die Lagerunterbringung thematisiert hat. Außerdem tragen wir die Aktionen der Münsteraner Seebrücke-Initiative aktiv mit, um eine zusätzliche Aufnahme Geflüchteter zu realisieren. Denn auch wenn dies nur symbolischen Charakter hat, ist das in der aktuellen Situation der Normalisierung rechter und extrem rechter Positionen sowie den enger werdenden asylrechtlichen Spielräumen ein wichtiges politisches Signal. Anlässlich des traurigen hundertjährigen Jubiläums der Abschiebehaft sowie ihrer aktuellen Ausweitung haben wir auch dieses Thema immer wieder in die Öffentlichkeit getragen.
Wie binden wir Flüchtlinge in Ihre Arbeit ein?
Wir haben immer wieder Versuche unternommen, Geflüchtete in unsere politischen Aktionen einzubinden, was in einigen Fällen auch gelingt.
Öffentlichkeitswirksame Aktionen gegen einzelne Abschiebungen passieren natürlich immer in Rücksprache und Einverständnis mit den Betroffenen. Langfristig bleibt die Einbindung aber leider eine sehr große Herausforderung. Viele sind beispielsweise aufgrund ihres unsicheren Status von ihren Ressourcen her zu eingeschränkt, um sich in ihrer prekären Lebenssituation politisch zu organisieren. Zugleich vertre-en wir aber die Position, dass es bei dieser Arbeit auch um unsere eigene Situation geht: Wir wollen nicht in einer kapitalistischen Gesellschaft und einem auf Selektion begründeten Nationalstaat leben, in dem Abschiebungen praktiziert und dadurch betroffene Menschen in Angst und Schrecken versetzt werden.
Was motiviert uns zu unserem Engagement? Was haben wir persönlich daraus gelernt?
Unser Engagement setzt sich vielfach mit den negativen Einflüssen von Kapitalismus und Nationalstaaten auseinander. Flucht ist ein Resultat davon.
Migration durchbricht Grenzen, Zäune und Mauern. Menschen in Not zu unterstützen,unabhängig von gesellschaftlichen Zuschreibungen ist unser Konsens. Dieser gilt bedingungslos. Auf lokaler Ebene können wir Fortschritte erzielen und unsere Wirksamkeit sichtbar machen. Das schafft Motivation für neue Aktivitäten. Als in fünf Jahren gewachsene Gruppe haben wir großes Vertrauen ineinander. Wir können uns aufeinander verlassen. Das stärkt den Zusammenhalt.
Der Blick nach vorne. Welche Pläne hat das Bündnis für die Zukunft?
Aufgrund der Vielzahl von Grundrechtsbeschränkungen durch die Asylrechtsverschärfungen und die steigende Anzahl von Dublin-Abschiebungen aus den ZUEs braucht es aus unserer Sicht eine neue Form politischer und praktischer Solidarität mit Menschen, die von Abschiebung bedroht sind.
Deswegen arbeiten wir derzeit am Aufbau einer Initiative zum Bürgerinnenasyl. Das soll es gesellschaftlich legitimer machen, sich für den Schutz von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus einzusetzen und Geflüchtete faktisch vor einer Abschiebung bewahren. Ebenso versuchen wir die Lagerunterbringung in ZUEs und den damit einhergehenden Ausschluss von gesellschaftlicher Partizipation, Schulbildung, Arbeit, umfassender Gesundheitsversorgung und die effektivere zentrale Durchsetzung von Abschiebungen zu skandalisieren. Die ZUEs, die Teil des „Integrierten Rückkehrmanagements“in NRW sind, sind aus unserer Sicht in erster Linie ein Mittel der Abschreckung. Es soll vermitteln, dass der Umgang mit Geflüchteten eine Frage des richtigen Managements ist. Dagegen positionieren wir uns deutlich. Wir hoffen, durch viele Bausteine wie das Kirchenasyl, das Bürgerinnenasyl und anderen Formen der öffentlichen Unterstützung neben den Abwehrkämpfen auch eine erlebbare Solidarität organisieren zu können.
Mehr Informationen zum Bündnis gegen Abschiebungen und seinen aktuellen Aktionen finden Sie unter gegenabschiebungenms.blackblogs.org, sowie auf Facebook und Twitter.