Nach dem Terroranschlag der Hamas im Oktober 2023 haben, so der offizielle Diskurs, antisemitische Aussagen und Taten stark zugenommen. Schon länger werden antisemitische Ressentiments KünstlerInnen, MusikerInnen, PolitikerInnen u.a. unterstellt und sanktioniert. Aber auch wenn der Begriff in der heutigen Diskussion häufig gebraucht wird, scheint nicht immer klar, was genau „Antisemitismus“ ist, wo er beginnt und wie er zweifelsfrei zu diagnostizieren ist.
Welche unterschiedlichen Definitionen gibt es, wie kann man Antisemitismus erkennen und unterscheiden? Und wichtiger noch: wodurch entsteht der moderne Antisemitismus und warum ist er immer noch so wirkmächtig? Ist er das Ergebnis kognitiver Minderleistungen von Individuen, die bei ihrer Suche nach Sündenböcken auf traditionelle Bilder zurückgreifen? Oder ist er eng mit der modernen Gesellschaft und ihren Besonderheiten verbunden? Warum ist er in bestimmten geschichtlichen Situationen stärker vorhanden als in anderen?
Der Vortrag stellt kurz verschiedene Definitionen und Begrifflichkeiten vor und präsentiert dann zwei kapitalismuskritische Erklärungsansätze, die in der aktuellen Diskussion praktisch nicht vorkommen. Ggf. bleibt Zeit für eine Diskussion des Gehalts der Begriffe „struktureller Antisemitismus“ und „israelbezogener Antisemitismus“. Ein Ausblick auf die Rolle des Antisemitismus im krisenhaften Kapitalismus von heute rundet den Vortrag ab.
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Referent: Dr. Stefan Leibold, Soziologe und Theologe, Pastoralreferent in Münster, langjährige Mitarbeit bei pax christi, beschäftigt sich seit langem mit Themen aus dem Spektrum Faschismus/Antisemitismus
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Weitere Infos: pax christi DV Münster; muensterpaxchristi.de