"Rassismus im Recht. Die Konstruktion eines Anderen in den Integrationsgesetzen" von Hanah Abucar

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Das Integrationsrecht hat eine Doppelfunktion: zum einen soll es Ausschlüssen entgegenwirken, zum anderen (re-)produziert es sie auch. Gesellschaftliche und rechtliche (rassistische) Ausschlüsse bleiben wenig beachtet. Stattdessen wird in neoliberaler Logik die Leistung der sich zu Integrierenden in den Vordergrund gestellt. Doch schon die Wortwahl Integration suggeriert eine homogene Dominanzgesellschaft, in die sich die „Anderen“ einpassen sollen.

Integration ist ein ebenso viel diskutierter wie ungenauer Begriff im Migrations-(folgen-)recht. Der Vortrag wird der Frage nachgehen, wie die Landesintegrationsgesetze Migrant*innen und Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund zu einer homogenen Gruppe der "Anderen" bestimmen, die (potenziell) integrationsbedürftig ist. Dabei wird das "Eigene" als Norm bestimmt, aus deren Perspektive die Integrationsziele und -indikatoren aufgegeben werden. Doch schon die Konstruktion und Exklusion der "Anderen" ist Ausgangspunkt von Diskriminierung. Wird dabei als Gegenstück zum „christlichen Westen“ wird der „islamische Orient“ konstruiert, stehen die Bilder in postkolonialer Tradition.

Die Veranstaltung findet im Rahmen der Vortragsreihe Grenzkritik statt und wird von der Initiative Seebrücke und dem AK Zu Recht Münster organisiert.

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Grenzkritik #2: Die Gewalt der Grenze.
Perspektiven auf Abschottung, Repression und Ausschluss

Grenzen setzen eine Aufteilung der Welt auf viele Ebenen durch. Sie bestimmen mit, welchen Zugang zu materiellen und ideellen Ressourcen Menschen haben dürfen, sie weisen gesellschaftliche Rollen und Positionen zu, sie beschränken die Freiheit, sich in Raum und Zeit zu bewegen, sie begrenzen die Weisen, die Welt zu erfahren. Grenzen fungieren darin immer gleichzeitig ausschließend und disziplinierend.

Grenzen existieren dabei nicht ohne Praxen der Gewalt, die sie instituieren und aufrechterhalten und damit erst ihre ausgrenzend-disziplinierende Funktion durchsetzen. Dies ist unmittelbar zu beobachten etwa an den europäischen Außengrenzen, zu denen die Polizeigewalt von Frontex, die Lager in Libyen, die libysche Milizen gehören sowie die Naturgewalt des Mittelmeers und der Sahara. Auch die Diskurse, die den Ausbau der Grenzen begleiten, sind von außerordentlicher Gewalt gekennzeichnet. Die Gewalt der Außengrenze reproduziert sich auch nach innen, in der Schikanierung von Migrant*innen durch Behörden, in den lager-ähnlichen Ankerzentren, in den gewaltbereiten Abschiebungen, durch die Praxis des Racial Profilings. Merkmal gegenwärtiger Politik ist außerdem nicht zufällig die Tendenz zur „autoritären Formierung“ der Gesellschaft, die sich in Maßnahmen zur Stärkung polizeilicher Befugnisse, in der Zurückführung sozialer Auseinandersetzungen auf Probleme „öffentlicher Ordnung“, in einer ausgeprägten Repression von solidarische Initiativen und Aktivist*innen, in einer allgemeinen Abschottung nach außen ausdrückt. Alltäglich erfährt man die Gewalt, die die Aufteilung des Sinnlichen instituiert, in der Umstrukturierung des urbanen Raums, in der Ideologie des „Dekors“, in der Schaffung von „Gefahrenzonen“. Dabei neigt die Gewalt, die in den Grenzdispositiven steckt, dazu, sich zu normalisieren, unsichtbar zu machen und als natürlich zu präsentieren.
In all dem Zeigt sich die konstitutive Widersprüchlichkeit der liberalen Demokratie, deren Anspruch, im Dienst von Freiheit, Gleichheit und Menschenrecht zu stehen nicht nur an deren Außengrenzen endet, sondern selber durch den als selbstverständlich wahrgenommenen Ausschluss und polizeiliche Gewalt in Kraft gesetzt wird.

Die Veranstaltungsreihe will unterschiedliche Dimensionen der Praxis der Grenzen sondieren