Achtung: Erwähnungen von sexualisierter Gewalt
Warning: mentions of sexual violence
CN: Gruppenstrukturen zu Vorfällen sexualisierter Gewalt
TL;DR (Zusammenfassung, ausführlich weiter unten):
Eine Person , die mittlerweile nicht mehr Teil von AMFAC ist, hat (sexualisierte) Gewalt ausgeübt. Wir haben unsere Kollektivarbeit pausiert und arbeiten gemeinsam mit der Person in einem Prozess daran, dass v.a. der Vorfall sowie Dynamiken, die dem zugrunde lagen, aufgearbeitet werden, um weiterer Gewalt entgegenzuwirken . Wir wollen durch diese Aufarbeitung als Gruppe Verantwortung übernehmen.
A person who is not part of AMFAC anymore, exercised (sexual) violence. We stopped our usual work and are now in a collective process with that person. Mainly to process the incident that occured and dynamics which led to it and to work against possible further violence. With this process we want to hold ourselves accountable.
All my Friends Are....Abusive. Misogynist. Violators.
(...oder könnten es sein. Genauso wie meine friends auch ich selbst.)
Seit einigen Monaten haben wir als AMFAC_ Crew keine Party mehr veranstaltet. Diese Tatsache ist nicht nur der andauernden Covid-19 Pandemie geschuldet. Es wurde klar, dass von einer Person in der Gruppe Gewalt ausgeübt wurde. Es wurde ebenso klar, dass wir als Gruppe und auch als Freund_innen zu lange weggesehen hatten, und das trotz Hinweisen, Vermutungen und Zweifeln. Unser Selbstverständnis ist ein (queer)feministisches, unser Anspruch ist es gegen (sexualisierte) Gewalt, Rassismus, Queerfeindlichkeit, Sexismus etc. zu kämpfen. Dazu gehört nicht nur das Schaffen von safer spaces, sondern auch die Auseinandersetzung mit uns selbst. Das Private ist politisch, wir können unsere Arbeit nicht von unserem Alltag trennen. Eine erste Konsequenz war für uns , die Veranstaltung im Februar abzusagen, und keine weiteren Veranstaltungen mehr zu machen. Anfang des Jahres mussten wir als Gruppe sehen und anerkennen, dass dringender Bedarf bestand, unsere eigenen Strukturen zu hinterfragen, uns Fehler einzugestehen und daran zu arbeiten. Wir wollen die bestehende(n) Gewalt(verhältnisse) nicht weiter reproduzieren und Verantwortung übernehmen.
Die gewaltausübende Person ist nicht mehr Teil von AMFAC. Trotzdem befinden wir uns in einem andauernden Prozess mit der Person. In diesem versuchen wir als Gruppe und als Freund_innenkreis einen Umgang mit sexualisierter und psychischer Gewalt zu finden. Dabei orientieren wir uns an Ansätzen der Community Accountablility und Transformative Justice. Das bedeutet u.a. eine kollektive Verantwortungsübernahme und Gewaltverhältnisse aufzulösen, anstatt durch Strafen fortzuführen. Dabei solidarisieren wir uns mit betroffenen Personen und versuchen die ausgeübte Gewalt nachhaltig aufzuarbeiten, um zukünftiger Gewalt vorzubeugen. Wir suchen Lösungen jenseits des strafenden Staates und jenseits von Ignoranz und Verharmlosung von sexualisierter Gewalt. Solange wir in einer gewaltvollen Gesellschaft leben, müssen wir uns mit Gewalt in (unseren) Beziehungen auseinandersetzen. Das versuchen wir in diesem Prozess.
Diese Arbeit bedeutet auch, Prozesse zunächst noch zu erlernen, Methoden zu finden, zu erproben, bedeutet eine Auseinandersetzung mit strukturellen & gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Gewaltmechanismen sind äußerst komplex. Wir alle sind potenzielle Täter_innen. Alle Personen können Gewalt (mit)verursachen, begünstigen und/oder (gleichzeitig) selbst von ihr betroffen sein. Eine Kombination aller Möglichkeiten ist dabei denkbar und oft Realität. Das soll keinesfalls Täter_inschaft verharmlosen, sondern darauf hinweisen, auch bei subtilen Dynamiken wachsam zu sein, und sich und das Umfeld nicht für „selbstverständlich sicher“ zu halten. Wir tragen alle Verantwortung für unser eigenes Verhalten, auch Täter_in werden ist eine Entscheidung.
All das oben Genannte dachten wir bereits verinnerlicht zu haben. Doch es zeigt sich, dass unsere Biographien uns unterschiedlich prägen und Verständnis mal mehr für die Betroffenen oder verstärkt für die gewaltausübende Person aufgebracht werden kann, gerade wenn eine enge Beziehung besteht/bestand. Hier erleben wir direkt einen Widerspruch zwischen dem, was wir "wissen" und dem was wir fühlen. Dieser Umstand nimmt viel Raum in unserer Reflexion ein.
Wir wollen euch, unseren Freund_innen, Genoss_innen und Partygästen transparent machen, dass es die benannten Vorfälle gab und wie wir damit umgehen. Wir möchten euch einladen uns zu kontaktieren, solltet ihr selbst auf unseren Veranstaltungen gewaltvolles Verhalten erlebt haben, jetzt oder zukünftig.
Wir sind ebenfalls offen für Rückmeldungen und Kritik. Da wir selbst in dem Prozess lernen und wenig an direkte Erfahrungen anderer anknüpfen können, freuen wir uns über Unterstützung in Form von solidarischer Kritik, Erfahrungsaustausch oder Beratungsangeboten (allmyfriendsarecriminalsriseup.net ).
Wir sind dankbar, dass einige Gruppen und Einzelpersonen ihre Erfahrungen verschriftlicht haben. Wir teilen diese Leseempfehlungen gerne mit euch. Die Sammlung findet ihr unten.
Zum Abschluss:
Momentan ist unklar ob, wann und wie es bei uns weitergehen wird.
Für alle lieben Menschen, die wir sonst auf unseren Parteys sehen und die uns vermissen: Wir euch auch!
Leseempfehlungen:
Deutsch:
Transformative Justice Collective Berlin:
https://www.transformativejustice.eu/en/ressourcen-von-uns/
Toolkit „Was macht uns wirklich sicher?“ als Buch:
https://www.edition-assemblage.de/buecher/was-macht-uns-wirklich-sicher/
Bücher zu Antisexitischer Awarenessarbeit und Täterarbeit:
https://www.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/was-tun-bei-sexualisierter-gewalt-detail
English:
https://www.transformativejustice.eu/en/transformative-justice-reading-list/
https://www.transformativejustice.eu/wpcontent/
uploads/2010/11/G5_Toward_Transformative_Justice.pdf
https://www.transformativejustice.eu/wp-content/uploads/2010/06/6685_toolkitrev-cmtyacc.pdf
Zine “What about the rapist“ (engl.)