Selbstanpassung ohne Selbst. Zur Aktualität von Adornos „Theorie der Halbbildung“ im flexibilisierten Kapitalismus. Vortrag von Manuel Rühle

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Selbstanpassung ohne Selbst. Zur Aktualität von Adornos „Theorie der Halbbildung“ im flexibilisierten Kapitalismus

Vortrag von Manuel Rühle

Mi., 19.06.2019

Raum: JO1

Zeit: 19 Uhr

In seinem Vortrag „Theorie der Halbbildung“ von 1959 reflektiert Adorno den Niedergang der bürgerlichen Bildungsidee als Folge des Scheiterns ihrer historisch-gesellschaftlichen Realisierung. Als „Kultur nach der Seite ihrer subjektiven Zueignung“ (Adorno) unterliegt Bildung demnach der gleichen Dialektik des Verfalls wie die bürgerliche Kultur insgesamt: Der fortschreitenden Kommodifizierung, d.h. dem Zur-Ware-Werden sämtlicher kultureller Erzeugnisse und der damit einhergehenden Eliminierung ihres kritischen Gehalts entspricht die fortschreitende Verdinglichung der diese rezipierenden Subjekte. Dieser Prozess mündet in der zeitgenössischen kapitalistischen Gesellschaft in den Bewusstseinsmodus der Halbbildung, der durch eine fundamentale Erfahrungsunfähigkeit gekennzeichnet ist.

Diese Überlegungen Adornos sollen aufgegriffen und im Hinblick auf die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse ausgelegt werden. Im Mittelpunkt steht hierbei die These, dass im flexibilisierten Kapitalismus der Gegenwart eine fast ausschließlich an ökonomischen Kategorien orientierte Bildungspolitik und eine von dieser geprägte kulturindustrielle Pädagogik maßgeblich zur Produktion halbgebildeten Bewusstseins beitragen. An die Seite der Agenturen der Massenkultur ist in den letzten Jahrzehnten zunehmend das (öffentlich wie privat geführte) Bildungswesen getreten, das im Namen internationaler Wettbewerbsfähigkeit die planmäßige Produktion und nachhaltige Festigung halbgebildeten Bewusstseins betreibt. Gegenüber diesen Tendenzen lassen sich in Adornos Begriff geistiger bzw. philosophischer Erfahrung vielfältige Ansatzmöglichkeiten für die Weiterentwicklung einer kritischen Theorie und Praxis der Bildung ausmachen.

Dr. Manuel Rühle ist Mitarbeiter beim DGB Bildungswerk Bayern und befasst sich mit den Möglichkeiten und Perspektiven Kritischer Pädagogik unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen.