Kein feministisches Bewusstsein ohne feministisches Geschichtsbewusstsein - Vortrag

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KEIN FEMINISTISCHES BEWUSSTSEIN OHNE FEMINISTISCHES GESCHICHTSBEWUSSTSEIN
Ein Vortrag von Uta C. Schmidt (Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung)

Mit dem Vortrag startet die Projektstelle Feminismus des AStA der FH das "Aktionssemester: queere Realitäten und feministische Utopien". Diese Veranstaltungsreihe wird uns im kommenden Wintersemester nahezu wöchentlich mit Vorträgen, Workshops, Lesungen etc. rund um das Thema Feminismus versorgen - unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Autonomen Frauen*Referat der Uni Münster.

Anlässlich dessen wird am 15.10. auch die Präsidentin der FH Frau Prof. Dr. Ute von Lojewski anwesend sein und zur Begrüßung ein paar Worte teilen.

„Kein feministisches Bewusstsein ohne feministisches Geschichtsbewusstsein“ – mit diesem Diktum stellt die Historikerin Annette Kuhn (*1934) einen Zusammenhang her zwischen Gegenwartserfahrung, Zukunftsperspektiven und Wissen um Vergangenheit.
Was bedeutet diese Forderung nach einem „feministischen Geschichtsbewusstsein“ und den historischen Dimensionen von Geschlechterverhältnissen in Zeiten von Feminismen, die zumeist um Identitäten kreisen und denen bei allen Differenzierungen das politische Subjekt „Frau“ abhanden gekommen zu sein scheint? All die Diskussionen um Zuschreibungspraxen und Performativität zeigen sich merkwürdig geschichtslos. Nirgendwo zeigt sich eindringlicher, dass die Rede von der Integrität des (feministischen) Subjekts Frau eine Behauptung ist, als durch einen Blick in díe Geschichte. „Der reine Feminismus ist nolens volens radikal. Notwendig schließt er (...) Mäßigung, Beschränkung, Halbheit aus. Feministisch sein heißt keineswegs un à tout prix [ um jeden Preis] ein Recht für eine kleine Anzahl Frauen auf Kosten der anderen Frauen ergattern zu wollen – feministisch sein, das heißt immer nur für Gesamt-Befreiung des gesamten weiblichen Geschlechts kämpfen.“ Johanna Elberskirchen im Jahre 1913, aus: Leidinger, Christiane, Radikale Feministin und unbeugsame Streiterin für das demokratische Wahlrecht. Zum 75. Todestag von Johanna Elberskirchen (1864-1943), in: Journal 42. „Der Feminismus ist ein Anzeichen und zugleich eine Ursache des Verfalls eines Volkes. Er zerstört die männliche Gesinnung und Tatkraft, er verdirbt die Frauen für die Mutterschaft; er verweiblicht, schwächt, ja vernichtet schließlich das Volk.“ (1909) Bundesarchiv Berlin, Reichskanzlei, 2266, Exemplar Justizrat Schnaus, zit. n Richard Evans, Feminismus als Forschungskonzept. Anmerkungen für die Praxis, in: Joeres, Ruth-Ellen B./ Kuhn, Annette (Hg.), Frauen in der Geschichte VI, Düsseldorf 1985, S. 35-48, hier S. 35f.
Was bringt eine Auseinandersetzung mit diesen historischen Aussagen zu Feminismus? Und was bringt Wissen um die Feminismen der Vergangenheit für mich als feministisch denkendes – gar handelndes Subjekt?
Im Zentrum der Diskussion stehen Fragen nach der Bedeutung historischer Dimensionen von Feminismus. Und es geht um die Erkenntnismöglichkeiten wissenschaftlicher Zugänge, die im Austausch mit Bewegungen – verstanden als Bewegung für die Befreiung von Frauen aus patriarchalen Verhältnissen – seit den 1970er-Jahren den androzentrischen Charakter der Allgemeinen Geschichte dekonstruiert haben. Sie haben Frauen unterschiedlicher Herkünfte, Stände, Klassen, Schichten, Religionen, Alter der Allgemeinen Geschichte hinzugefügt, sie haben Geschlechterverhältnisse als Gesellschaftsordnungen beschrieben, sie haben Epochenbildungen und Kategorien verändert, Erkenntnistheorien verfasst und lineare Geschichtsmodelle hinter sich gelassen. Sie haben die heteronormative Ordnungsstruktur unseres Wissens insgesamt befragt. Wie können sie feministisches Geschichtsbewusstsein befördern?

Dr. Uta C. Schmidt, Studium der Geschichte und Kunstgeschichte; Promotion mit einer Arbeit über „Feministische Perspektiven in der Geschichtswissenschaft“; Forschung und Vermittlung im Schnittfeld von Raum, Repräsentation, Geschlecht und Macht. Mitarbeiterin an der Koordinations- und Forschungsstelle des Netzwerks Frauen- und Geschlechtergeschichte NRW, und im DA. Kunsthaus Kloster Gravenhorst. (Mit)Begründerin und Autorin der Forschungs- und Bildungsplattform www.frauenruhrgeschichte.de, Bloggerin bei www.gender-blog.de