Die politische Entwicklung von Afrika und die Rolle der EU

Inhaltsangabe:

 

     1.  Sabine Espeter:

            Basisinformationen Geschichte

 

     2.  Angela Preis:

            Wie kam es zur Schuldenkrise der afrikanischen Länder ?

 

      3.  H. Hammerbauer:

            Die Schuldenfalle – ihre Ursache und Lösung

       

        4. Jürgen Kemper:

            Investitionen von China in afrikanischen Ländern

 

      5.  Renate Gröper:

            EU und die EPAs mit Afrika

 

     6  Stefan Leibold:

            Mali und die EU

 

     7.  Malte Koch:

           Kurzreferat Frontex

 

1. Afrika - Basisinformationen – Geschichte 

Quellen

  • Wikipedia
  • Bundeszentrale für politische Bildung 
  • Planet Wissen
  • Zeitgeschichte online
  • Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung
  • Welt.de

 

Eckdaten:

  • Afrika bildet 22 % der gesamten Erdoberfläche.
  • Afrika ist der drittgrößten Kontinent der Erde.
  • Afrika ist „Wiege der Menschheit“: vor 2 Millionen Jahren entstand dort der Homo Sapiens
  • Derzeit leben auf dem gesamten Kontinent ca. 1,3 Milliarden Menschen, bis 2050 werden es vermutlich 2 Milliarden Menschen sein.
  • 55 Länder
  • Über 100 Sprachen 

 

Geschichte:

Die Geschichte Afrikas ist in großen Teilen nicht in Schriftzeugnissen festgehalten, sondern mündlich überliefert. (man spricht von „oralen Kulturen")

Dieses hat zu einer Abwertung / Geringschätzung des ganzen Kontinentes geführt, selbst der Philosoph Hegel hat von einen „geschichtslosen  Kontinent" gesprochen. 

Wahrnehmung  Afrikas ist von Klischees bestimmt.

Henning Mankell: „Wir wissen alles darüber, wie Afrikaner sterben und wir wissen nichts darüber, wie sie leben.“

 

Unterteilung Afrika / frühe Geschichte:

Nordafrika

Ab dem 7. Jahrhundert islamisch geprägt

Zuvor integrierter Bestandteil der Antike, die den gesamten Mittelmeerraum prägte

Sahara bildet die Barriere zwischen Nordafrika  und subsaharischen Völkern

 

Nordostafrika

Nubische und äthiopische Königreiche

Frühe Christianisierung 

 

Ostafrikanische Küste

Mittler zwischen afrikanischer und asiatischer Welt 

Geprägt vom Handel

 

Westafrikanische Sudanzone

„Land der Schwarzen"

Mächtige Reiche namens Gana, Mali und  Songhay

Goldreichtum,

Jedoch geprägt von islamischen Machtkämpfen

 

Zimbabwe / Kongo 

Wenige Erkenntnisse, jedoch Reichtum und Handel

 

Sklavenhandel:

Seit dem hohem Mittelalter setzte sich die Vorstellung  durch, dass Christen nicht versklavt werden können. Die „Ware Mensch" wurde somit in Europa knapp.

Mit der Entdeckung Amerikas 1492 begann die Sklaverei auf dem afrikanischen  Kontinent.

Die europäischen Großmächte brauchten für die „Neue Welt" Arbeitskräfte  für die Landwirtschaft, den Bergbau und für den Aufbau einer Infrastruktur.

Die transatlantische Sklaverei dauerte 400 Jahre.

Das war die größte Völkerverschleppung aller Zeiten.

Schätzungsweise wurden 40 Millionen Afrikaner verschleppt.

Dieser Handel war nur mit Hilfe von afrikanischen Eliten möglich.

Das Trauma wirkt vermutlich bis heute in Afrika nach und ist wenig erforscht.

 

Kolonialismus

Der Beginn des Kolonialismus ist ebenfalls mit der Entdeckung  Amerikas verbunden.

Sowohl der Kolonialismus als auch der Sklavenhandel beruhen auf Rassismus und einer permanenten Herabwürdigung der Afrikaner. Dieses bildet die Legitimation für Unterwerfung und Ausbeutung.

Der ganze afrikanische Kontinent wurde durch die europäischen Großmächte aufgeteilt: Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Belgien, Italien, Portugal und Spanien.

Das Ende der Kolonialisierung begann mit der Französischen Revolution und dauerte bis nach dem 2. Weltkrieg.

Deutsche Kolonien in Afrika, wie Togo und Namibia wurden durch den Versailler Vertrag nach dem 1. Weltkrieg Mandatsgebiete des Völkerbundes.

Im Jahr 1960 wurden 18 afrikanische Kolonien unabhängig.

Die Entwicklung  der Nationalstaaten gestaltete sich schwierig, da keine nationale Identitäten ausgebildet werden konnten. 

Die jungen Nationen haben große Schwierigkeiten mit der Entwicklung von Demokratien. Aber diese Entwicklung hat in Europa auch Jahrhunderte gebraucht.

Außerdem wurden Despoten und Diktatoren durch die Großmächte nach dem 2. Weltkrieg  finanziell und mit Militär unterstützt und tragen dadurch eine Mitverantwortung.

Zusammenfassend muss man sagen, dass der Kriegs- und Chaoskontinent des 20. Jahrhunderts  nicht Afrika, sondern Europa war!

 

BEVÖLKERUNG

Das Geschlechterverhältnis hat sich durch die Fremdbestimmung der Kolonialmächte in Richtung Patriarchat verändert.

Die jungen Nationslstaaten haben zur Finanzierung ihrer Staaten Hüttensteuer und eine Besteuerung von männlicher Lohnarbeit eingeführt. Damit wurde ein Familienmodell nach der bürgerlichen Kleinfamilie geschaffen.

Auch die christlichen  Missionare haben dieses Familienmodell propagiert.

Durch die patriarchalen Strukturen, blieb Frauen der Zugang zu Bildung, beruflicher Teilhabe und Gesundheitsdiensten verwehrt. 

Dieses wiederum führte zu einer hohen Geburtenrate. 

Eine afrikanische Frau hat durchschnittlich 4,7 Kinder. 

Jede vierte Frau würde gerne verhüten, hat dazu aber keine Möglichkeiten.

Die Bevölkerung  in Afrika ist daher sehr jung.

60 % der 15 bis 24jährigen sind arbeitslos.

Der Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben wächst stetig.

 

 

2. Wie kam es zur Schuldenkrise der afrikanischen Länder?

 

Die Kolonialzeit hatte die Strukturen der Länder auf die Bedürfnisse des Mutterlandes ausgerichtet. Sie wurden so zu Rohstofflieferanten.

Im Vorwort zu dem Buch „Kolonialismus und Neokolonialismus“ von Jean Paul Sartre wird eindringlich beschrieben, wie dieser Prozess in Algerien und Marokko vor sich ging:

Unter dem Schutz der Bajonette des Kolonialreiches etabliert sich in der Kolonie eine weiße Oberschicht, Gesetze werden erlassen. In Algerien war zur Zeit der Okkupation aller fruchtbarer Boden kultiviert. Es handelte sich zumeist um Kollektivbesitz. Anfangs benutzte man den geringsten Ausbruch von Widerstand um zu konfiszieren oder zu sequestrieren.

Nach einer Revolte von 1871 wurden den Besiegten Hunderttausende von Hektar Land genommen. Und dann bescherte man ihnen den Code Civile, in dem der verbliebene Gemeinschaftsbesitz aufgeteilt und in Privatbesitz überführt wurde. Anteilscheine wurden ausgegeben, die zum Teil fiktiv waren.

So wurden die Algerier innerhalb von 100 Jahren um 2/3 ihres Landes gebracht.

Indem man den Grundbesitz zerstückelte und französisierte, zerbrach man die Stammesgesellschaft  und die Kultur, indem der Gebrauch der eigenen Sprache verboten wurde. Verloren geht bei den von ihrem Land vertriebenen Bauern auch das Wissen um die Bebauung der Erde.  

Die von ihrem Land vertriebenen Menschen wurden marginalisiert und dienten als billige Arbeitskräfte, deren Budget zu nichts mehr als einer kargen Ernährung reicht.

Getreide-Anbaugebiete waren in Weinanbaugebiete umgewandelt worden. 1871 hatte den algerischen Einwohnern 5 Zentner Getreide /Kopf zur Verfügung gestanden, 1945 waren es noch 2 Zentner/Kopf.

Es versteht sich von selbst, dass der Wein nicht für die algerische muslimische Bevölkerung bestimmt war, er wurde von der französischen Oberschicht nach Frankreich ausgeführt und im Gegenzug Gebrauchsgegenstände und Luxusgüter für dieselbe importiert. Eine Industrialisierung war unerwünscht, da Fertigprodukte im Mutterland produziert werden sollten

Das Verkehrsnetz diente nur zum Abtransport des Raubes. Ein Gesundheits- oder Bildungssystem gab es ausschließlich für die Kolonialherren.

So oder ähnlich war die Situation, als in den 50er und 60er Jahren viele der kolonisierten Länder in Afrika unabhängig wurden.

Ihre Wirtschaft war auf den Export von Rohstoffen in der Hand von Firmen der alten Kolonialmacht ausgerichtet.

Es existierten kaum einheimische Akademiker, Handwerker, Techniker, Schulen oder eine Gesundheitsversorgung und Nahrungsmittelproduktion für die Bevölkerung.

Es gab so gut wie kein einheimisches Kapital.

Versuche, die Besitzverhältnisse im Land zu ändern, endeten im Kongo am 17.Januar 1961 mit dem Mord an dem ersten Ministerpräsidenten Patrice Lumumba. Ein anderer, den alten Kolonialmächten genehmer Machthaber wurde installiert.(Joseph Mobutu).

Das alles sagt uns:

Unterentwicklung ist nicht, wie man vom Namen her vermuten könnte, die Position auf der unteren Stufe einer Leiter, auf deren oberster Stufe die Industrienationen sitzen, sondern der Endpunkt einer bewusst herbeigeführten Fehlentwicklung. Diese Volkswirtschaften sitzen in einer Sackgasse ohne Wendemöglichkeit.

Um all die aus der Kolonialzeit ererbten Defizite auszugleichen, mussten die Staaten Kredite aufnehmen.

Aber sie hatten nichts als den Export ihrer Rohstoffe, um Geld für die Rückzahlung zu erwirtschaften.

Deren Preise aber stagnieren oder sinken, während Industrieprodukte aus den Industrieländern sich verteuern.

Die „Terms of Trade“, der Tauschwert der Waren also, verschlechterte sich und tut dies bis auf den heutigen Tag. Hatten die Kakaoproduzenten 1970 für den Verkauf einer Tonne Kakao noch einen VW kaufen können, brauchten sie später 20 Tonnen dafür.

1984 betrugen die Finanzflüsse aus den Industrie-und OPEC-Ländern in die Entwicklungsländer 85 Milliarden $, die Entwicklungsländer zahlten an Schuldentilgung und Zinsen 92 Milliarden $.

Zur Finanzierung mussten sie die Export-Produktion steigern und vernachlässigten dafür ihre Selbstversorgung.

Trotzdem stiegen die Schulden an, und als in den 80er Jahren die Kreditzinsen explodierten, kam es zur Schuldenkrise der Entwicklungsländer.

Das rief den Internationalen Währungsfond (IWF) und die Weltbank auf den Plan.

Strukturanpassungsprogramme wurden verordnet wie:

- Privatisierung von Wasser und Energie,

- Reduzierung von Gesundheits- und Bildungsausgaben,

- Streichung von Nahrungsmittelsubventionen,

-Blockierung von Löhnen

- oder Streichung von Subventionen für die Kleinbauern.

 

Jean Ziegler berichtet in seinem Buch „Wir lassen sie verhungern: „In Niger, einem Land von Hirten und Viehzüchtern mit über zwanzig Millionen Stück Vieh, hat der IWF die Privatisierung des nationalen Veterinäramts verlangt. Seither müssen die Viehzüchter für Impfstoffe, Vitamine und Antiparasitika, die sie zur Behandlung ihrer Tiere brauchen, völlig überhöhte Preise an die transkontinentalen Konzerne bezahlen. Die Folge: Zehntausende Familien haben ihre Viehbestände verloren. Heute fristen sie ein armseliges Leben in den Elendsvierteln der Städte.“

Und als ob das alles noch nicht schlimm genug wäre, kam dann noch die Welthandelsorganisation, die WTO ins Spiel.

Im Cotonou-Abkommen aus dem Jahre 2000 wurde ein freier Marktzugang der EU in die AKP –Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) angestrebt. Der Weg für die EPA´s (Economic Partnership Agreements) war geebnet.

 

3. Die Schuldenfalle – ihre Ursache und Lösung

 

Die Staatsverschuldung für afrikanische Staaten ist nicht erst seit der weltweiten Pandemie ein ungelöstes Entwicklungproblem, sondern schon längst zur unentrinnbaren Geisel und Normalität geworden.

Mit den heftigen Protesten gegen die EU- und G7/G8-Gipfel in Köln 1999, deren zentrale Forderung die Entschuldung der Länder des globalen Südens war, erreicht das Thema durch die globalisierungskritische Bewegung wieder einmal größere Aufmerksamkeit.

Die letzten großen Verschuldungswellen endeten mit mehrmals von IWF und Weltbank veranlassten, da nicht mehr zu vermeidenden Entschuldungen. Sie fanden in den Jahren 1996 und 1999 unter der begrenzten Initiative für hoch verschuldete arme  Länder statt, die beim G8-Gipfel 2005 durch die Multilaterale Entschuldungsinitiative schließlich zur vollständigen Streichung aller verbliebenen Forderungen führten.  Alle beteiligten Länder mussten sich dem Kontroll-Regime dieser supranationalen staatsmonopolistischen Institutionen unterwerfen.

In den Jahren vor der Weltwirtschaftskrise von 2000 bis 2007 erlebten die Entwicklungs- und Schwellenländer, einschließlich vieler Länder Afrikas, eine beeindruckende Reduktion ihrer Verschuldung.Die in dieser Zeit aufgebauten Polster halfen einigen afrikanischen Regierungen Maßnahmen, die teilweise in länderübergreifender Abstimmung durchgeführt wurden, die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise 2008 auf ihre Länder abzufangen.

Dazu gehört die Diversifizierung des Außenhandels weg von Europa und die Intensivierung der Süd-Süd-Beziehungenals der wichtigste Faktor, der Afrika bislang vor den schlimmsten Krisenfolgen geschützt hat.

 

Weltwirtschaftskrise 2007 und das Schwanken der Rohstoffpreise

 

In der Zeit nach der Weltwirtschaftskrise bis 2010 kam es jedoch wieder zu einer deutlichen Zunahme der Schulden. Die wieder einsetzende wirtschaftliche Verbesserung in den folgenden Jahren brachte ein besseres Verhältnis der Schulden zu den jeweiligen Exporten und den Länderwachstumsraten. Der interne Markt und der regionale Handel in Afrika zeigt ein höheres Potential zu Wertschöpfung und Beschäftigung und damit zur eigenen nationalen Akkumulation als die externen Exporte.

Wie zu alten Kolonialzeiten bestehen bis heute noch zwei Drittel der Exporte aus Brennstoffen, Erzen und Metallen. Seit dem massiven Rückgang der Rohstoffpreise seit 2014 sanken jedoch auch die Einnahmen bei den Rohstoffexporteuren (Metalle u. Landwirtschaft) und das afrikanische Wachstum erreichte mit 1,5 Prozent 2016 einen Tiefpunkt – den tiefsten seit mehr als zwei Jahrzehnten. Vielerorts wurden Investitionen zurückgenommen, Deviseneinnahmen sanken. Eigene Währungen wurden abgewertet, was wiederum die Schuldentilgungen verteuerte und die Inflation stieg deutlich.

Die Notwendigkeit, den zuvor während der Boomjahre begonnenen Ausbau der Infrastruktur zu finanzieren, hatten zu einem Anstieg des Schuldenstandes geführt. Es konnte diesmal verstärkt vom Privatkapital, statt vom IWF u. ä. Schulden aufgenommen werden und die Staatsschulden nahmen ebenfalls zu. Aktuell hat sich das industrielle Wachstum deutlich verlangsamt und somit die Grundlage für Arbeit außerhalb des informellen Sektors. In der Eigenwahrnehmung der ausländischen Investoren haben sich jedoch in ihrem Sinne die politischen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahrzehnten verbessert.

Die bleibende Ursache der Krise stellt ständig die erreichten Fortschritte in Frage und erzeugt permanente Unsicherheit. Eine vergleichsweise nachholende Industrialisierung wie in China u. ä. ist innerhalb des imperalistisch-neokolonialistischen dominierten Weltwirtschaftssystem nicht durchgreifend möglich. Selbst das kontinentale Freihandelsabkommen wird dazu nicht ausreichen, sondern die ungleiche Entwicklung untereinander noch verstärken.

 

Die nächste Schuldenkrise und die Überakkumulation*)

 

Die Auslandsverschuldung hat sich seit der letzten Entschuldung im Jahr 2006 im Durchschnitt verdoppelt, so dass in zahlreichen afrikanischen  Ländern  die Tendenz zur Überschuldung wieder sehr stark zugenommen hat.  Bereits 2017 stellte Erlassjahr.de im Schuldenreport fest: "Von 37 afrikanischen Ländern, die sich für zinsgünstige Programme des  Internationalen Währungsfonds  (IWF) qualifizieren,  bescheinigt der  IWF... nur fünf ein ‚niedriges‘ Überschuldungsniveau."(1)

In Subsahara-Afrika verstärkt sich mittlerweile die Verschuldung besonders. Siebzehn Länder haben seit Ende 2019 ihre Schuldendienste in den vergangenen Jahren ganz einstellen müssen, weitere Länder geraden bald in die Schuldenfalle, denn mit einem deutlichen Anstieg der Rohstoffpreise ist kaum zu rechnen. Die Schulden Südafrikas sind inzwischen deutlich gestiegen und die Bonität des Landes ist heruntergestuft worden, Kenia und anderen droht  die Abstufung, wenn sie den IWF in Anspruch nehmen. Die nächste Staatsschuldenkrise einschließlich des Wachstumseinbruch steht an, was wiederum ihr Chancen auf die in der Regel auf Neuverschuldung basierenden Industrialisierung und Infrastrukturentwicklung erschwert. Staatliche Investitionen werden gebremst. Die massive Arbeitslosigkeit, insbesondere bei den Jugendlichen, noch mehr beschleunigt.

Im Zuge der  Auswirkungen der weltweiten Pandemie im Frühjahr 2020 verschärfte sich die Verschuldung nochmals, so dass sich selbst die Brandstifter zur Feuerwehr machen: Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank forderten die Gläubigerregierungen auf, den ärmsten Ländern durch Streichung der Schulden zu helfen. Die afrikanischen Finanzminister verlangten eine Streichung der für 2020 ausstehenden Zinszahlungen. Inzwischen gewährt der IWF selbst den ärmsten Ländern Schuldendiensterleichterungen wie der Zentralafrikanischen Republik, der demokratischen Republik Kongo, Gambia, Madagaskar, Malawi, Mali, Mosambik, Niger, Ruanda, Togo u. a. Zudem verkündigte die G20 Mitte April d. J. lediglich ein Schuldenmoratorium für die 77 ärmsten Länder für 2020, dass das Problem lediglich verschiebt, jedoch keine Lösung ist. Zu berücksichtigen ist, dass "die Unctad... den krisenbedingten Rückgang der Exporteinnahmen der Entwicklungsländer 2020 auf 800 Mrd. $ (schätzt). Bei einer geschätzten Importreduzierung von 575 Mrd. $ bleibt ein Anstieg des Leistungsbilanz-Defizits dieser Ländergruppe um 225 Mrd. $, annähernd das, was allein Deutschland, der Exportüberschuss-Weltmeister, jährlich an Überschüssen erzielt. Entsprechend steigt der Stand der Verschuldung in dieser Ländergruppe."(2)

Die tiefere Ursache für die anhaltende Überschuldung ist die chronische Überakkumulation in der Weltwirtschaft, verstärkt durch die überschüssige Liquidität auf den globalen Finanzmärkten in Zeiten niedriger Zinsen. Dieses anlagebedürftige Geldkapital, heute wie schon Anfang der 1970er, verstärkt auf Suche nach ausreichender Rendite, bedient den chronisch hohen Finanzierungsbedarf für Infrastruktur auch in den afrikanischen Ländern. Nur zu dumm, falls doch die Niedrigzinspolitik endet und zum Abfluss von Kapital aus Entwicklungs- und Schwellenländern führt. Die Falle schnappt endgültig zu, die Refinanzierung von Schulden durch Neukredite macht die Sache noch teurer und verheerender.

Die länderspezifischen Faktoren für die Schuldenkrise wie die Abhängigkeit vom Rohstoffexport, politische Fragilität sowie die Folgen von lokalen Naturkatastrophen sind dagegen fast marginal.

Es ist damit zu rechnen, dass sich die Überakkumulationskrise wieder ganz schnell zuspitzen wird. Die mit "tickende Zeitbombe Finanzmärkte" oder "Warten auf den großen Knall" bezeichneten Umstände, können wiederum ihre Wirkung wie in der Finanzkrise 2007 ff. innerhalb der weltwirtschaftlichen Verflechtung gewaltsam entfalten. Die Gegenmittel wie eigene Devisenreserven oder inländische Ersparnisse werden nicht mehr ausreichen, die Folgen insbesondere für viele afrikanischen Staaten einzudämmen, da sie nicht mit den aufsteigenden Schwellenländern des Südens mit ihren verbesserten Reaktionsmöglichkeiten auf solche Krisen vergleichbar sind. Vor allem dann, wenn sich die internationale Finanzinvestoren schlagartig aus den inländischen Anlagen infolge neuer Finanzkrisen gewöhnlich zurückziehen, geraden die industriell schwachen Länder Afrikas schnell unter starkem Druck.

"Die wichtigsten direkten Übertragungswege der Krise sind: Der Rückzug internationalen Kapitals und die Verteuerung des Zugangs zu Auslandskapital. Der Rückgang der Überweisungen von Migranten. Der Rückgang der Rohstoffpreise und die vergrößerte Volatilität der Exporteinnahmen" (3) wie er die rohstoffexportierenden afrikanischen Länder wieder stark betrifft.

Der Internationale Währungsfond macht sich erneut vermehrt "Sorgen" und empfiehlt Finanzpuffer zu schaffen, um so die eigene Widerstandsfähigkeit gegenüber einem Umfeld zu gewährleisten, in dem sich die finanziellen Bedingungen plötzlich verschärfen könnten. Selbst staatliche Kapitalverkehrskontrollen für die ärmsten Länder werden wieder ins Spiel gebracht.

Trotz aller bisherigen Verbesserungen durch staatliche, geldpolitische Gegenmaßnahmen in den afrikanischen Ländern, stellte die Bundesbank bereits in ihrem Monatsbericht vom Oktober 2017 fest, dass sie "allerdings nicht geeignet (sind), umfassenden privaten Kapitalabflüssen vorzubeugen, die sich beispielsweise aus einer Eintrübung der Wachstumsperspektiven in Schwellenländern ergeben können." (4)

Zu dem privilegierten Rücktransfer von Profiten der fremden europäischen Konzernniederlassung zurück ins Mutterland und seinen Ursachen sagt die Bundesbank nichts. Diese Machenschaften können afrikanische Länder dem Auslandskapital aufgrund des mittlerweile weitgehend deregulierten Kapitalverkehrs kaum unterbinden. Sie verfügen über schwache zentrale Staatsapparate mit einer wenig entwickelten nationalen Bourgeoisie. Ein weiterer Beleg dazu ist auch eine Studie der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam von 2016, die feststellt, dass ein Drittel des Vermögens der afrikanischen Superreichen im Ausland liegen und die Staaten damit jährlich 14 Mrd. US-Dollar an Steuereinnahmen verlieren.

 

Ende der Verschuldung ?

 

Heute leidet Afrika immer noch am großen Kriseneinbruch 1973/75 und der in Folge diktierten  Strukturanpassungsprogrammen des IWF, die zum Rückgang schon erreichter Entwicklungsschritte in die eigenständige Industrialisierung führten.

Die bleibenden Ursachen der Schuldenkrise stellt ständig die erreichten Fortschritte in Frage und erzeugt permanente Unsicherheit. Eine nachholende Industrialisierung und damit der höheren Arbeitsproduktivität wie in den Schwellenländern ist trotz gewisser Fortschritte innerhalb des neokolonialistisch dominierten Weltsystem nicht durchgreifend möglichAuch der innere Zusammenhang der globalen Probleme trifft besonders die ärmeren unterentwickelten Länder und er lässt die Lösung ihrer drängendsten Probleme noch weniger einzeln zu. Alle Umschuldungsverhandlungen, selbst Schuldenstreichungen, bringen keine Lösung, da die angeführten Faktoren, die die Verschuldung verursachen, weiter existieren würden. Sie haben im wesentlichen den Sinn, das System neokolonialer Ausbeutung aufrechtzuerhalten.  

Für die Masse afro-asiatischerLänder bleibt letztlich die Erreichung vollständiger nationaler Befreiung vom Imperialismus ohne soziale Revolution unerfüllbar.

Auch der innere Zusammenhang der globalen Probleme trifft besonders die ärmeren unterentwickelten Länder und lässt die Lösung ihrer drängendsten Probleme noch weniger einzeln zu. Heute ein reformistisches Gewurschtel oder utopistisches Projektemachen (was nicht gegen Versuche an sich spricht) zu praktizieren ohnees mit dem Bruch des Systems zu verbinden wie es immer noch allzu oft geschieht, führt im globalen Finanz(crash)kapitalismus zu keinem Ausweg, auch keinem "dritten" mehr!

Neue weltwirtschaftliche solidarischer Beziehungen jenseits der Kapitalherrschaft böten für den gesamten afrikanischen Kontinent eine zeitgemäße sozial-ökologische und regenerative Industrialisierung. Die US- und geringer EU-dominierte kapitalistische Weltordnung steckt in einer Dauerkrisenlage und einem zivilisatorischen Verfallsmodus. Die internationale Vergesellschaftung der Produktion erfordert heute den entschiedenen Kampf um den Beginn der Abrüstung. Sie ist die unumgängliche Voraussetzung für die Zukunft in der neuen, der sozialistischen Weltwirtschaftsordnung und die Freisetzung von Mitteln gegen die ökologische Katastrophe.

Der Ausweg zur Lösung der globalen Probleme, die Afrika in seiner neokolonialen Abhängigkeit festhalten, ist nur im Kampf für die Abschaffung der monopolkapitalistisch beherrschten und militarisierten Weltwirtschaft, gegen die produktions- und marktbeherrschenden  Konzerne möglich. Dazu ist die systeminduzierte Spaltung zwischen den Menschen hier und im Süden zu reduzieren. Der Schlüssel dazu liegt in den reichen Staaten, die objektiven materiellen Bedingungen hierfür sind in ihnen herangereift. Es gibt keine andere Chance, als diese Herkulesaufgabe umgehend anzupacken!

*) In der Überakkumulationzeigen sich die zunehmenden überzyklischen Verwertungsschwierigkeiten des Kapitals. Heute, wo die Großkonzerne Produkt der Erhöhung des Vergesellschaftungsgrads der Produktion sind, führt dies notwendig zur Beherrschung bestimmter Zusammenhänge des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses.

Die Großkonzerne als das Herrschaftskapital können sich den Entwertungen durch die zyklischen Krisen weitgehend entziehen, können sie abwälzen. Die Überakkumulation wird dadurch nicht mehr abgebaut. Es kommt zur chronischen Überakkumulation. Sie ist die ökonomische Grundlage für den Kapitalexport, für den Imperialismus und Internationalisierung der Produktion. Sie ist auch die Basis fürdie überdimensionale Aufblähung und den Parasitismus des Finanzsektors.Seit 1974/75 ist die Überakkumulation wieder eine chronische Erscheinung, die keynesianische Regulierungsvariante hatte sich erschöpft. Der neoliberale Umbau hat das Problem der chronischen Überakkumulation nicht gelöst, sondern verschärft. Es ist im Kapitalismus nicht lösbar wie es sich spätestens seit der größeren Weltwirtschaftkrise 1974/75 zeigte.

 

Anmerkungen:

(1) erlassjahr.de - Entwicklung braucht Entschuldung e.V: Entschuldungskurier 2017, S. 5, https://docplayer.org/113225389-Entschuldungskurier-18.html

 

(2) https://www.isw-muenchen.de/2020/04/auf-der-passivseite-des-corona-welt…

 

(3) Goldberg, Jörg: Afrika im Sog der Krise, in: Informationsbrief  Weltwirtschaft & Entwicklung, W&E 01/Januar 2009

 

(4) https://www.bundesbank.de/de/publikationen/berichte/monatsberichte/mona…

 

4. Investitionen von China in afrikanische Länder

 

Ausgewertet wurden nach einer google-Recherche folgende Quellen:

zeit.de

wikipedia

scharf-links.de

faz.net

wiwo.de

zdf.de

nzz.ch.

 

Zur Situation vor dem chinesischen Engagement:

Von 1965 bis 2004 ist die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara von 17,1% des Welt-Durchschnitts auf 9,7 % gefallen. Dies trotz einer Entwicklungshilfe von 600 Milliarden Dollar.

Dreiviertel aller heute aktiven Fabriken hat es vor zehn Jahren noch nicht in Afrika gegeben.

 

Dimension chinesischer Aktivitäten:

Von 60 Milliarden Dollar in 3 Jahren sind 15 Milliarden Dollar als Hilfen und zinslose Kredite von chinesischer Seite vorgesehen. Mit einem Handelsvolumen von 170 Milliarden Dollar hat China die USA als wichtigsten Handelspartner übertroffen. Gegenüber den von China eingesetzten Mitteln fehlen dem Westen die finanziellen Möglichkeiten für ein vergleichbares Engagement. China hat außerdem zehntausende Stipendien an afrikanische Studierende vergeben. Die meisten Smartphones auf dem afrikanischen Kontinent werden von Transsion aus Shenzhen verkauft. 

 

Ziele chinesischer Aktivitäten:

Befriedigung wirtschaftlicher, militärischer und politischer Interessen. 

D. h. Beschäftigung chinesischer Firmen, Errichtung von Militärbasen und Waffenverkäufe und Beweissicherung, dass ein autoritäres Regime wie China effektiver ist als ein westliches Regime.

 

So funktioniert das chinesische Engagement:

Es werden sowohl Großprojekte bis hin zu ganzen Stadtteilen mit staatlichen chinesischen Krediten gefördert, als auch staatliche chinesische Absicherungen klein- und mittelständischer Unternehmungen vorgenommen. Hierdurch entstehen Wettbewerbsvorteile gegenüber westlichen Firmen. Auch gibt es joint ventures. Die staatlichen Kredite sind meist daran geknüpft, dass chinesische Firmen die Infrastrukturprojekte ausführen. 

 

Koordination der chinesischen Aktivitäten:

FOCAC-Gipfel, umgangssprachlich China-Afrika-Gipfel, finden alle drei Jahre statt.

 

Ein Beispiel außerhalb von Afrika des Scheiterns von Megaprojekten nicht nur des Westens, sondern auch von China ist Sri Lanka:

Ein Flughafen ohne Flüge. Ein Hafen, dessen Kredit Sri Lanka nicht zurückzahlen kann, der somit für 99 Jahre an China verpachtet wird.

 

Kritik am chinesischen Engagement:

  1. Austausch von chinesischen Waren gegen Rohstoffe (Neokolonialismus)
  2. Rückgang einheimischer Produktion (Textil- und Lederindustrie) 
  3. Abhängigkeit von chinesischen Krediten
  4. Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer (wie Afrika) 
  5. Starkes Handelsbilanzdefizit zugunsten Chinas 
  6. China weigert sich, die Richtlinien des Development Assistance Committeeder OECD zu erfüllen
  7. Die afrikanischen Länder dürfen Taiwan nicht anerkennen, was dazu geführt hat, dass mittlerweile nur 3 kleinste afrikanische Staaten noch Taiwan anerkennen. 

 

Mögliche moralische Forderungen:

Die regierenden Parteien und Eliten in Afrika sollten zu einer überzeugenden Legitimierung ihrer Herrschaft aufgefordert werden. Diese könnten sie, auch in Vorstadien demokratischer Idealformen, insbesondere mit angemessenen Budgets für Erziehung, Gesundheit und Sozialwesen sowie durch Abbau von Korruption und Geldwäsche unter Beweis stellen.

Auf dem letzten FOCAC-Gipfel forderte Zuma aus Südafrika, dass sich Chinas Afrikainvestitionen weg von der Ressourcenacquise hin zu mehr Nachhaltigkeit entwickeln sollten.

 

5. Die EU und die EPAs mit Afrika

Bestandsaufnahme

 

Durch die Lome´-Abkommen (1975-2000) wurde u.a. den afrikanischen Staaten der quoten- und zollfreie Zugang zum EU-Markt gewährt, ohne dass sie selbst ihre Märkte zu öffnen brauchten.

Da diese Sonderbehandlung nicht mit den Prinzipien der WTO vereinbar war, wurde das Folgeabkommen von Cotonou – Partnerschaftsabkommen, CPA (2000-2020)  unterzeichnet mit dem Ziel, reziproke Wirtschaftspartnerschafts- (WPA, engl. EPA) oder Freihandelsabkommen zu etablieren.

 

Bei Nichtabschluss würden die Länder mit oberem mittlerem Einkommen unter das Meistbegünstigungsprinzip (MFN) der WTO fallen, Länder mit geringem oder niedrigem mittleren Einkommen über das Allgemeine Präferenzsystem (GSP) Vergünstigungen bis hin zur Zollfreiheit erhalten können. Während dieam wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries, LCDs) unter der „Everthing But Arms“ (EBA)-Initiative weiterhin einseitig freien Zugang zum EU-Markt erhielten.

 

EPAs (Economic Partnership Agreements) stehen seit 2002 auf der Tagesordnung der EU-Außenwitschaftspolitik. Zwischen der Europäische Union und fünf Ländergruppen Subsahara-Afrikas (SSA) wurde heftig debatiert und gestritten. Diese 5 Ländergruppen – auch Wirtschafts- und Entwicklungsgemeinschaften - sind:

 - Ostafrika (EAC)

 - Süd-/Ostafrika (ESA)

 - Südliches Afrika (SADC-Gruppe)

 - Westafrika (ECOWAS + Mauretanien)

- Zentalafrika

 

Die EU verhandelt insbesondere mit den drei regionalen Gemeinschaften: Südliches Afrika, Süd-/Ostafrika und Westafrika:

Die EPAs sollen den den Ländern einen weitgehend zollfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt sichern und im Gegenzug müssen sich Afrikas Märkte nach und nach öffnen und Zölle für 80% der Einfuhren beseitigen. Auf 20% der von den afrikanischen Ländern selbst ausgewählten Produkte dürfen Importzölle erhoben werden.

Im Verlauf der Verhandlungen haben die afrikanischen Länder Vereinbarungen heruntergehandelt, bis sie sich ausschließlich auf den Handel mit Gütern beziehen. Vereinbarte Zollsenkungen enthalten z.T. sehr lange Übergangsfristen von bis zu 25 Jahren. Neue Exportsteuern auf Rohstoffe sind möglich.

 

Im Mai 2004 war ein gesondertes Abkommen über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit (TDCA) der EU mit Südafrika geschlossen worden.

In der SADC-Gruppewurde Mitte Juli 2014 eine Einigung mit Botswana, Lesotho, Namibia, Swasiland, Südafrika und Mosambik, (ohne Angola) erzielt, am 10.06.16 unterzeichnet, am 10.10.16 ratifiziert. Es ist damit das erste in Kraft getretene regionale EPA. Das siebte Land der Gruppe Angola bleibt zunächst Teil der EBA-Initiative.

Mit den Staaten der ESA-Gruppe wird seit dem 14.5.2012 ein Interim-EPA vorläufig angewendet.

In der ECOWAS-Gruppewurde im Juni 2014 der Vertragstext des EPA vorläufig anerkannt, 1.10.16 unterzeichnet mit Ausnahme von Nigeria, Liberia, Sierra Leone und Gambia. Ohne die vier Länder war jedoch die notwendige Zweidrittelmehrheit der 16 ECOWAS-Länder erreicht .  Bilaterale Interim-EPAs der EU mit Cote d`Ivoire und Ghana, die keinen LDC-Status haben, fanden vorläufige Anwendung und wurden im August  2016 ratifiziert.

Die Verhandlungen mit derEAC-Gruppe waren im Oktober 2014 abgeschlossen. Eine Unterzeichnung insbesondere für Tansania Uganda und Kenia aus versch. Gründen nicht möglich.

Während Tansania, Burundi, Uganda und Ruanda als LDCs unter der EBA-Initiative weiterhin zollfrei in die EU exportieren können, wurde Kenia als einziges Nicht-LDC mit zeitweisen Strafzöllen auf Blumen und Bohnen so unter Druck gesetzt und ratifizierte schließlich das Abkommen gemeinsam mit Ruanda im September 2016.                                                                                                                                            

In der Gruppe Zentralafrika wurde bislang nur ein Interim-EPA mit Kamerun beschlossen  und am 25.Juli 2014 ratifiziert. Die beiden anderen Nicht-LDCs der Region, Gabun und die Republik Kongo haben kein EPA unterzeichnet. Die Republik Kongo fällt unter das GSP-System, Gabun als Mitteleinkommensland untersteht dem MFN-Prinzip. Die übrigen Länder der Region erhalten Zugang zum EU-Markt über die EBA-Initiative. Kameruns Alleingang wird in der Region angefeindet und beeinträchtigt den regionalen Integrationsprozess.

 

Fazit: im südlichen Afrika existieren eigentlich zwei Abkommen TDCA und EPA. Im Westen hat Nigeria nicht, im Osten Tansania nicht unterschrieben. Elfenbeinküste, Ghana, Kamerun und Kenia haben Einzelvereinbarungen.  Nigeria und Tansania wollen die eigene Landwirtschaft und Industrie fördern!

Alle drei EPAs enthalten mehr oder weniger Klauseln für den Schutz junger Industrien.

Kritik

Bei den EPAs handelt es sich also um Freihandelsabkommen, die im wesentlichen darauf abzielen, die Exportchancen von Unternehmen aus der EU zu sichern – die EU zwingt die afrikanischen Staaten zu radikaler Marktöffnung für EU-Importe -  und die Einfuhren von Agrar- und Rohstoffen zu verbilligen, indem die Exportsteuern abgebaut werden. So kommen insbesondere EU-Konzerne leichter an Rohstoffe.

Die Ideologie vom Freihandel mutiert zu einem Wirtschaftsabkommen zwischen ungleichen Parteien, zu einer „Re-Kolonialisierung“.

Exportsteuern aber sind ein wirkungsvolles Mittel für Regierungen, um Entwicklung zu finanzieren und Industrialisierung zu fördern. In den EPAs sind neue Exportsteuern nicht erlaubt, aber bereits existierende können beibehalten werden (mit Ausnahmen). Das Ziel, Industrialisierung durch zeitweiligen Zollschutz für neue Branchen zu fördern, ist durch EPAs erschwert. Ohne Einnahmen aus Exportsteuern keine Förderung der Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln, keine Reaktion auf Folgen von Währungsabwertungen möglich, weniger Geld für Bildung, Gesundheitsversorgung und andere öffentliche Infrastrukturen.

Afrikanische Länder können Zölle nur noch sehr begrenzt nutzen um Märkte vor EU-Import zu schützen, insbesondere auch in der Landwirtschaft. Afrikas Landwirtschaft ist geprägt durch kleinbäuerliche Familien-

betriebe, kaum Maschinen, niedrige Erträge. Rd. 60% aller Afrikaner arbeiten in der Landwirtschaft, rd. 80% bestellen ihre Felder von Hand, brauchen Technologien zur Sicherung der Ernährung und  auch um die Erträge zu handelstauglichen Lebensmitteln gewinnbringend weiterzuverarbeiten. Fehlende Investitionen und der eingeschränkte Zugang zu Finanzmitteln sind das Haupthindernis für die Entwicklung der afrikanischen Landwirtschaft.

Kritisiert werden  die massiven Billigexporte von Fleisch, Getreide, Milch und Gemüse etc. aus der subventionierten EU-Überproduktion die immer noch hundertausende kleinbäuerliche Betriebe ruinieren

 (Fußnote: ganz ohne Handelsliberalisierung werden aus Indien und China riesige Mengen an Fertiggütern auf Kosten der lokalen Hersteller importiert) sowie der mögliche Import von Agro-Treibstoff wie Ethanol. Nicht nur werden Absatzchancen afrikanischer Produkte auf heimischen Märkten  dadurch zerstört. Zusätzlich kommt es zu Landraub und Verdrängung der Nahrungsproduktion.

 Neben einer Modernisierung der Landwirtschaft braucht Afrika verstärkte Investitionen der Privatwirtschaft in verarbeitende Industrien. Durch die EU-Handelspolitik fühlen sich die afrikanischen Länder aber ihrer Chance beraubt, im Schutz von Handelsbarrieren international wettbewerbsfähige Industrien aufzubauen. Denn sie produzieren  noch immer kaum konkurrenzfähige Waren und liefern nur wenig weiterverarbeitete Rohstoffe  in den Rest der Welt.

Selbst wenn die EU komplett die Märkte für Afrika öffnen würde, hätte Afrika kaum Produkte zu verkaufen, zudem setzt die EU die Qualitätsstandards fest.

Nicht zu vergessen, die Jagd nach und der verbesserte Zugang zu Rohstoffen wie unverarbeitetes Getreide, Öl, Bauxit, Coltan, Diamanten, Kobalt, Kupfer usw. deren Wertschöpfung durch Weiterverarbeitung u.a. in Europa stattfindet, beschert Afrika verseuchte Böden, erzwungene Privatisierung, Vertreibung, Enteignung und damit auch Fluchtursachen.                                                                                                                       

Die Kleinbauern in Afrika können nicht – wie bereits erwähnt - mit den industriellen Agrarprodukten aus der EU (auch noch subventioniert) konkurrieren; s. Geflügel, Tomaten, Milchpulver, Meeresfisch Baumwolle, Landgrabbing.

Bsp.: So ist es in Staaten Westafrikas zu einem drastischen Niedergang der Geflügelproduktion gekommen. Da nur noch unzureichender Schutz durch Zölle, konnten die einheimischen Produzenten nicht mehr konkurrenzfähig arbeiten.

So hat Kamerun zwar ein EPA 2014 unter Druck der EU ratifiziert, kämpft aber gegen dessen Implementierung und hat 2006 ein Importverbot für billiges Hühnerfleisch erreicht( Ivonne Tabang *)). Ghana sah sich nach Abschluß des Freihandelsabkommens der Forderung aus der EU ausgesetzt, seine Zölle fallen zu lassen, wenn es z.B. weiter Kakao ausführen wolle (frontal21 v. 28.5.19)

Senegal z.B. ist abhängig gemacht worden von Weizenimporten. Der Schaden für die lokale Agrarproduktion liegt beim Rückgang der einheimischen Produktion von Hirse und Sorghum.

Die größten Verlierer sind die LDCs. Sie verfügten bisher über uneingeschränkten Marktzugang in die EU und weiter auch durch die sog. EBA Abkommen, ohne dafür Leistungen  für die EU erbringen zu müssen. Aber im Rahmen der EPAs und der damit verbundenen Öffnung der eigenen Märkte für europäische Waren, treffen sie dann die fehlenden Zolleinnahmen für EU-Importe besonders hart.

Kamerun verkaufte landwirtschaftliche Produkte und Finanzdienstleistungen nach Gabun, Äquatorialguinea u.a. Es gab keine Obergrenze und keine Zölle. Aber nach der Ratifizierung fühlten sich die Nachbarländer verraten und alle Produkte aus der EU nach Kamerun dürfen nicht ohne Zölle auf die Märkte der Nachbarn. Jetzt verlangt Gabun sogar ein Visum, um das Land betreten zu dürfen. Der freie Verkehr von Waren und Personen ist für Kamerun aufgehoben.

Ivonne Takang: EU will sich Afrika als billigen Rohstofflieferanten erhalten und die Entwicklung eigener Industrien behindern. „ Bitte lasst uns erst die regionalen Märkte entwickeln, bevor wir uns dem Weltmarkt öffnen“.

Durch die wenigen abgeschlossenen EPAs hat sich die EU Brückenköpfe geschaffen – wie das letzte Bsp. auch zeigt – über die sie ihre Waren in einigen Jahren zollfrei nach ganz Afrika exportieren könnte.

Die 32 ärmsten Länder Afrikas haben bereits seit 2001 freien Zugang zum EU-Markt für alle Produkte außer Waffen. 12 Länder setzen WPAs mit der EU um und liefern ebenfalls zollfrei. Aber: bei Südafrika und Staaten Nordafrikas ist der Agrarhandel durch Zölle und Mengenbegrenzungen auf beiden Seiten vor allem bei Olivenöl, Obst und Gemüse gekennzeichnet und belastet.

Die Liste der Kritik an den EPAs in der gegenwärtigen Form von afrikanischen Industrieverbänden, Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Interessengruppen und internationalen NGOs ist lang, denn sie lösen nicht die Herausforderungen in Bezug auf Ernährungssicherheit, Landverödung, Armut und Handel.

Ein Markt für Agrargüter auf Grundlage von Angebot und Nachfrage – ohne Exportsubventionen, Zollpräferenzen, Exportverbote – wäre stabiler für die Ernährungssicherung der Menschheit. Von daher wurde die Forderung nach Aussetzen aller bislang beschlossenen EPAs immer lauter.

Ausblick

Noch geschieht die Marktöffnung langsam und mit Ausnahmen. Und, einige Hauptprobleme der afrikanischen Landwirtschaft werden von inneren Strukturproblemen und politischer Vernachlässigung verursacht. Aber mit entwicklungspolitischer Unterstützung können Produktionskapazitäten aufgebaut werden. Immerhin haben EPAs teils den Import von Maschinen und Dünger erleichtert.

Seit September 2015 gibt es eine Messlatte, an der sich die europäische Handelspolitik und die Handelsbeziehung zwischen EU und Afrika messen lassen müssen: die Agenda 2030 und die neuen globalen Nachhaltigkeitsziele, die SDGs (Sustainable Development Goals, von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet).                                                                                                            

Alle afrikanischen und europäischen Staatschefs haben der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zugestimmt. Damit sollen in den nächsten 15 Jahren 17 Oberziele erreicht werden, die durch 169 Unterziele erläutert und konkretisiert werden und die der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene dienen sollen.‘‘)

Um Produktion und Exporte in Afrika zu steigern, müssen Investitionen ins Land und Arbeitsplätze geschaffen werden. Hier ist der G20 Compact with Africa aus 2017, der für Privatinvestitionen in Afrika sorgen soll, eine wichtige Initiative.  *))

Auch die Initiative Marshallplan mit Afrika ist darauf ausgerichtet, die Wirtschaft Afrikas deutlich zu stärken. Beide Initiativen können nur erfolgreich sein, wenn die handelspolitischen Rahmenbedingungen in Einklang mit den Bedürfnissen der afrikanischen Gesellschaften gebracht werden können. Europa kann Afrika  im Sinne einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit dabei unterstützen, Kapazitäten zu entwickeln, durch die afrikanische Erzeuger in die Lage versetzt werden, die EU-Importstandards einzuhalten.

Die Regierungen der afrikanischen Länder wissen, mit welchen Maßnahmen sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen in ihren Ländern verbessern ließen. Seit dem Abuja-Vertrag von 1991 wurde an der Schaffung einer afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft und Zollunion gearbeitet. Im Mai 2019 trat die kontinentale Freihandelszone zwischen 54 Mitgliedsstaaten (Eritrea hat sich verweigert) der Afrikanischen Union (AU) in Kraft, Die Regierungen von 54 afrikanischen Ländern finden zur größten Freihandelsregion der Welt zusammen, der „African Continental Free Trade Area“ (AfCFTA) kurz auch CFTA und wollen damit ein starkes Gegengewicht zur Marktdominanz Europas, China und der USA schaffen. Das Abkommen soll den innerafrikanischen Handel stärken, durch Angleichung von Standards den Markt vergrößern, Handelsschranken innerhalb des Kontinents abbauen, gemeinsame Wertschöpfung ermöglichen und zukünftig die Grenzkontrollen unter den Unterzeichnerländern abschaffen.

Die AU ist der wichtigste Zusammenschluss aller 55 afrikanischen Staaten, sie wurde 2002 als Nachfolgerin der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) gegründet. Ihre Struktur ist der EU nachempfunden.Die „Agenda 2063“ der AU wurde 2013 wurde anlässlich des 50.Jahrestages der OAU ausgerufen (2015 verabschiedet). Ihre Schwerpunkte liegen auf

- integrativem Wachstum und nachhaltiger Entwicklung

- Integration und Einheit

- guter Regierungsführung, Demokratie, Menschenrechten, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit

- Frieden und Sicherheit

- Kultur und gemeinsamen Werten

- von der Bevölkerung mitbestimmte Entwicklung

- Afrika als globaler Akteur und Partner

 In diesem Kontext sollten die EU und die AU mit den afrikanischen Staaten sicherstellen, dass die EPAs zur Verwirklichung der wirtschaftlichen Ziele der Agenda 2063 beitragen, insbesondere zu dem, den intraafrikanischen Handel bis  2050 auf 50 Prozent zu auszuweiten. Diese AU-Ambition stellt einen wichtigen Ansatz zur Förderung regionaler Wertschöpfungsketten dar und unterstützt zugleich die Industrialisierungsstrategien, die von einigen afrikanischen Staaten allein nicht realisiert werden können und die ein wesentlicher Kritikpunkt afrikanischer Regierungen an den EPAs sind.

*) Generalsekretärin der Bürgerorganisation ADIC (Association Citoyenne de Defense des Interets Collectifs)

‘‘) 5 Kernbotschaften der Agenda 2030: 

Die Würde des Menschen steht im Mittelpunkt (People):

Eine Welt ohne Armut und Hunger ist möglich, den Planeten schützen (Planet):

 Klimawandel begrenzen, natürliche Lebensgrundlagen bewahren,

 Wohlstand für alle fördern (Prosperity):

Globalisierung gerecht gestalten, Frieden fördern (Peace):

 Menschenrechte und gute Regierungsführung, globale Partnerschaften aufbauen (Partnership):

Global gemeinsam voranschreiten

*)) Im Vorfeld haben mehrere deutsche Entwicklungsorganisationen gefordert, die EPAs auszusetzen und die Handelsbeziehungen zwischen Afrika und Europa neu zu gestalten. Die Dokumentation der Alternativkonferenz organisiert von Brot für die Welt, Misereor, Germanwatch, Attac Deutschland und KASA: „Die Chance ergreifen. Die EU-Afrika Handelsbeziehungen neu gestalten“

Quellen:

bmz.de

crp-infotec.de

Deutsches Institut für Entwicklungspol.

dw.com

euractiv.de

FAZ 27.5,und 24.6.2019

fluchtgrund.de

giga-hamburg.de

giz.de

info,brot-fuer-die-welt.de

ipg-journal.de

medico.de

swp-berlin.de

tagesschau.de

weltagrarbericht.de

welt-sichten.org

wikipedia.org

 

6. Der Krieg in Mali und die Interessen der EU 

Vorgeschichte

Der Konflikt zwischen der Zentralregierung im dichter bevölkerten Süden Malis und den in Stämmen organisierten Bevölkerungsgruppen im Norden des Landes, der von Wüste geprägt ist, besteht schon seit langem. Frühere Versuche der Regierung im Süden, die Kontrolle im Norden zu erlangen und deshalb Soldaten dort zu stationieren, führten wiederholt zu Aufständen. Den Stämmen im Norden wurden daraufhin Autonomie gewährt und politische und militärische Posten gegeben, der Konflikt dadurch einigermaßen befriedet. Die Gebiete sind auch viel zu groß und der Staat hat zu wenig Geld, um dauerhaft Polizei und Militär dort hin zu schicken.

Ab den 200er Jahren hat die EU Mali „entdeckt“-und, so die These, das hat dem Land nicht geholfen.

 

Die Europäische Sicherheitsstrategie 2003

2003 verabschiedete die EU eine eigene Sicherheitsstrategie. Europa als globaler Akteur wollte „bereit sein, Verantwortung für die globale Sicherheit und für eine bessere Welt mitzutragen“. Die EU wollte militärisch aktiv werden und definierte „Bedrohungen“, auf die man reagieren wollte. Im Wesentlichen wurden der Handel mit Drogen, Frauen, illegalen Einwanderern und Waffen, also Phänomene der Kriminalität, konstatiert. Diese hänge mit der Schwäche oder dem Versagen des Staates zusammen. Organisierte Kriminalität und Staatsversagen würden sich ausbreiten und bedrohten die EU. Ziel war, dass „ein Ring verantwortungsvoll regierter Staaten entsteht, mit denen wir enge, auf Zusammenarbeit gegründete Beziehungen pflegen können“. Es geht also nicht nur um der EU genehme Regierungen, sondern um einen neuen Charakter der Staaten, wobei als Kern des Staates der Sicherheitssektor aus Militär, Polizei und Justiz verstanden wird. „Sicherheit ist eine Vorbedingung für Entwicklung“ heißt es in der Sicherheitsstrategie, d.h. Entwicklungszusammenarbeit soll sich auf den Aufbau von Sicherheitsapparaten fokussieren. Einem Staat wie Mali ist es gar nicht möglich, durch die riesige Landesfläche, die geringe Einwohnerzahl (20 Mio) und das geringe BIP ein staatliches Gewaltmonopol durchzusetzen. Daher gab es früher Verhandlungen und Autonomie mit den Landesteilen im Norden. Jetzt aber kam die EU mit ihrer Analyse. 

 

Das Instrument für Stabilität 2006

In Mali bildeten die USA ab 2002 Spezialeinheiten aus, bauten Geheimdienste aus und installierten Überwachungstechnologie aufgrund des „Kriegs gegen den Terror“. Der EU ging es mehr um die „Bekämpfung der illegalen Migration“. Italien finanzierte seitdem schon Flüchtlingslager in Libyen, um dorthin abschieben zu können. Im Zuge des Programms AENEAS flossen von der EU 50 Mio Euro in Projekte zum „Migrationsmanagement“ nach Afrika, hauptsächlich nach Nord- und Westafrika. Mit dem „Instrument für Stabilität“ flossen ab 2006 dann 2 Mrd. Euro bis 2013 nach Afrika, um die „Bedrohungen“ zu bekämpfen. Das Geld floss hauptsächlich in Maßnahmen zur Polizei- und Justizreform, zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Grenzüberwachung.

 

Sonderprogramm PSPSDN in Maili 2010/2011

2009 veröffentlichte das UNO Office for Drugs and Crime eine Bedrohungsanalyse unter dem Titel „Transnationaler Schmuggel und Rechtsstaatlichkeit in Westafrika“, in dem es heißt „Westafrika wird angegriffen“. Auf vielen Karten wurden die Routen des Schmuggels, des Terrors und der Migration gezeichnet, für die es aber keine empirischen Belege gab. Erstaunlicherweise wurde zeitgleich das DESERTEC-Projekt zur Gewinnung von Solarenergie augelegt, bei dem solche massiven vermeintlichen Bedrohungen keine Rolle spielten, sowie Karten mit tatsächlichen und vermuteten Rohstoffvorkommen. 

2010 und 2011 setzte die malische Regierung ein „Sonderprogramm für den Frieden, die Sicherheit und die Entwicklung im Norden Malis“ (PSPSDN) auf und bekam dafür Gelder von der EU. Konkret wurde an 11 strategischen Orten Militärstandorte, Polizeistationen und Gefängnisse errichtet. 3000 zusätzliche Ordnungskräfte wurden registriert. Mit dieser von der EU geförderten Militarisierung wurde die Politik des Kompromisses mit den Stämmen im Norden weitgehend beendet, was dann zu Rebellion und Sezession im Norden mindestens erheblich beigetragen hat.

 

Sahel-Strategie 2011

2011 verabschiedete die EU die „Strategie für Sicherheit und Entwicklung im Sahel“ (die verschiedenen Staaten wurden nun unter die neue Begrifflichkeit „Sahel“ gefasst). Wiederum geht es zentral um das Erreichen von Sicherheit, diesmal werden aber auch klar ökonomische Ziele benannt, u.a. geht es darum, „bestehende ökonomische Interessen zu schützen und die Basis für Handel und EU-Investitionen zu schaffen“. Dies habe „Einfluss auf den Schutz europäischer Bürger und ihrer Interessen und die Situation der Inneren Sicherheit in der EU“. Ebenso sollen Angriffe der Al-Quaida in Nordafrika und in Europa unterbunden werden. 

 

Interessen der EU, Deutschlands und Frankreichs

An dieser Stelle stellt sich die Frage, warum Nord- und Westafrika für die EU so wichtig und ab den 200er Jahren quasi als europäischer „Hinterhof“ betrachtet werden. Zunächst wird man ernst nehmen müssen, dass die EU sich nun als „globaler Akteur“ begreifen will, auch in Nord- und Westafrika, wo die USA, mittlerweile auch China aktiv sind. Es geht offenbar um den Wettbewerb um Einflusssphären. Die EU wollte sich offensichtlich insbesondere als militärischer Akteur profilieren. Die Strategie, hauptsächlich auf die Militarisierung der Region zu setzen, dürfte für die Länder selbst aber wenig positive Folgen haben (siehe gleich unten das Beispiel Mali).  Die tatsächlichen Probleme der Bevölkerung spielen daher auch keine Rolle. 

Deutschland hat 2014 auf der Münchner Sicherheitskonferenz angekündigt, sich stärker militärisch zu profilieren und dabei einen Führungsanspruch in der EU zu behaupten. Daher hat das Engagement in Mali strategische Bedeutung für diesen Führungsanspruch. Insbesondere das Scheitern in Afghanistan hat die deutsche Militär- und Machtpolitik empfindlich getroffen. Die Bekämpfung der Flüchtenden schon in Westafrika, die Absicherung deutscher Investitionen und bestehender Handelsabkommen, von denen Deutschland profitiert (und die als erhebliche Fluchtursache einzustufen sind) dürften dazu kommen. 

Frankreich ist seit der Kolonialzeit Vormacht in der Region und will diesen Status und die Kontrolle der lokalen Währungen über den Franc-CFA gerne erhalten. Darüber hinaus hat Frankreich die Krise in Mali genutzt, um Truppen im Nachbarland Niger zu stationieren. Die Uranvorkommen im Niger sind existenziell für die französischen Atomkraftwerke. Frankreich steht auch im Verdacht, im Hintergrund die Autonomie Malis und die dortigen Kräfte zu unterstützen, um sich den Zugriff auf dort vermutete Rohstoffvorkommen (darunter ebenfalls Uran) zu sichern.

 

Die Eskalation des Konflikts ab 2011

Zurück ins Land und zur Eskalation der Gewalt in Mali: 2011 begannen die Luftangriffe der NATO und ihrer Verbündeten auf Libyen. Großbritannien, Frankreich, die USA und die Golfstaaten lieferten massenweise Waffen nach Libyen, gleichzeitig plünderten Islamisten bestehende Waffenlager. Die Waffen gelangten in die anderen Staaten der Region, die vorher schon militarisiert worden waren. Etliche Waffen und Tuareg, die vorher für Gaddafi gekämpft hatten, gelangten nach Mali. Anfang 2012 kam es im Norden zu einem erneuten Aufstand-diesmal mit erheblich gestiegenen Waffenarsenalen. Etliche Soldaten aus dem Süden, die den Aufstand bekämpfen sollten, verloren ihr Leben, daraufhin putschte in der Hauptstadt Bamako das Militär. Die „Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad“ (MNLA) in Nordmali unter Führung von Tuareg riefen am 6.4. 2012 die Unabhängigkeit des Nordens aus. Im herrschenden Chaos übernahmen aber Islamisten die wichtigsten Städte im Norden. Frankreich schickte Luft- und Bodentruppen. Im Zuge der UN-Mission AFISMA intervenierten Tausende Soldaten ins Land. 2013 wurden strategisch wichtige Städte zurückerobert. Deutschland beteiligte sich an Folgemissionen, insbesondere bei der Mission MINUSMA mit Ausbildungs- und Ausstattungshilfen und Spezialkräften. 300 Kräfte zur Ausbildung sind im Süden stationiert, 1000 Kräfte, dazu Drohnen und Kampfhubschrauber im Norden. Die UN-Mission MINUSMA gilt als gefährlichste UN-Mission, deutlich über 100 Einsatzkräfte der Mission kamen seit 2013 ums Leben. Die Milizen im Norden stehen der Mission teilweise feindlich gegenüber, ein Ende der gesellschaftlichen Konflikte in Mali ist nicht in Sicht. 250.000 Menschen sind vertrieben worden. Die Sicherheitslage für die Bevölkerung in Mali ist nach wie vor prekär und verschlechtert sich eher. Immer wieder kommt es zu Massakern an der bevölkerung. Trotz der offenbaren Erfolglosigkeit hat der Bundestag 2019 der Verlängerung der Einsatze in Mali zugestimmt (Kosten für ein Jahr 314 Mio Euro).

 

Bewertung der Rolle der EU

Man kommt nicht darum herum, festzustellen, dass die EU mit ihrer Politik der Militarisierung und Aufrüstung zusammen mit der früheren Regierung in Mali die Probleme im Land vergrößert und zur Eskalation der Gewalt beigetragen hat. Die Verfügbarkeit von enormen Waffenarsenalen im Zuge des Angriffs auf Libyen (der das Land keineswegs befriedet hat). Die militärischen Missionen sind nicht in der Lage, eine dauerhafte Friedensordnung im Land herbeizuführen (wie in anderen Konflikten). Sonderinteressen insbesondere Frankreichs erschweren die Lage. Die von der EU zu Beginn ihres Engagements als „globaler Akteur“ beschriebene „Schwäche von Staatlichkeit“ in Mali ist durch das Eingreifen westlicher Politik im Sinne einer „self fulfilling prophecy“ Wirklichkeit geworden. Mit ihrer selbst ernannten Rolle als geopolitischer militärischer Akteur hat die EU-Politik (nicht nur) Mali destabilisiert. Die irrige Annahme, durch den Aufbau von „Sicherheit“ würde „Entwicklung“ wurde nicht revidiert. Angesichts des zunehmenden globalen Wettbewerbs mit den USA, China, Russland und weiteren Staaten um ökonomische Ressourcen, politischen Einflussphären und militärischer Rolle verbunden mit der Bekämpfung von Flüchtenden um jeden Preis ist anzunehmen, dass es eher zu einer weiteren Destabilisierung der Staaten in Westafrika (und anderswo), der Verschlechterung der Lebensverhältnisse der dortigen Bevölkerung  und damit auch zu neuen Fluchtbewegungen kommt.

 

Quellen

neben Artikeln im Internet im Wesentlichen:

-Informationsstelle Militarisierung (Hg.), Kein Frieden mit der Europäischen Union, Tübingen 2017

-Informationsstelle Militarisierung/DFG-VK, Fact Sheet Mali: Aufrüstung und Krieg, Tübingen 2016

 

7. Kurzreferat Frontex

Quellen = rar, Bundesanstalt für politische Bildung, Wikipedia

1. Entwicklung

In den 80ziger Jahren befand sich die Europäische Gemeinschaft in einer Sinnkrise und die allgemeine Europazustimmung nahm ab ;

Um der Zustimmung zu Europa wieder einen Auftrieb zu verschaffen, wurde zwischen Deutschland und Frankreich vereinbart, neben den damaligen Grundfreiheiten des europäischen Marktes (freier Verkehr von Waren, Dienstleistungen und des Kapitals innerhalb der europäischen Gemeinschaft) auch eine politische bzw. gesellschaftliche Komponente auszubilden =>

Das Europa der Bürger, oder besser den kontrollfreien Personenverkehr zwischen den damaligen EU-Mitgliedsländern.

Im Jahr 1985 wurde das „Schengener Abkommen“ geschlossen, zunächst zwischen Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg und Deutschland ;

Im Jahr 2014 gehören 26 Staaten dem Schengener Raum an, auch Island und Norwegen, jedoch nicht Großbritannien ;

Im Jahr 1990 wurden weitere ergänzende Maßnahmen zur Sicherung der Schengener-Außengrenzen getroffen, insbesondere zum Schutz vor illegaler Einreise von Drittstaatsangehörigen ;

2. Organisationsgründung

Die im Oktober 2004 vom Rat der EU erlassende Verordnung zur

„Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der EU“ 

führte zur Gründung der EU-Gemeinschaftsagentur FRONTEX mit Sitz in Warschau. Sie ist als eine eigenständige Einrichtung des europäischen öffentlichen Rechts zu verstehen, die von den Organen des EU-Rates, der EU-Kommission und des EU-Parlamentes unabhängig ist. FRONTEX unterstützt die Organe der EU bei der Umsetzung von Politikzielen, ist dabei aber weitestgehend eigenständig.

Beim Start in 2004 gab es ca 40 Mitarbeiter mit einem Budget von ca  6,3 Mio €, aktuell sind ca 1200 Mitarbeiter bei einem Budget von ca 250 Mio € beschäftigt, in naher Zukunft soll die Mitarbeiterzahl auf 10.000 europaweit erhöht werden und das Budget erheblich anwachsen.

3. Aufgaben

Frontex defeniert sich selbst in folgender Form =

„Unsere Vision ist der europäische Raum der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Sicherheit. Um das zu garantieren muß man jedoch wissen, wer über die Außengrenzen der EU kommen will. „

 

Daraus resultiert gemäß Frontex folgender Aufgabenkatalog =

  • Risiko- und Gefahrenanalyse bezüglich der EU-Außengrenzen ;
  • Koordination der Zusammenarbeit der Mitgliedstatten in der Überwachung der EU-Außengrenzen ;
  • Gegenseitige Unterstützung der Mitgliedstatten in Situationen, die einen erhöhten Bedarf an Personal und Technik bedürfen ;
  • Unterstützung bei Rückführungsaktionen von Personen aus Drittstaaten ;
  • Koordination von Kooperationen mit Sicherheitsbehörden in Drittstatten ;

 

4. Aktuell

 

  • 1. Derzeit liegt die Anzahl der Mitarbeiter bei ca 1.200 Köpfen, dazu kommen diverse sogenannte „beauftragte Grenzbeamte“ in den jeweiligen Einsatzgebieten. Planungen innerhalb der EU besagen eine Erhöhung der Mitarbeiteranzahl ab 2021 auf ca 10.000 Köpfen innerhalb der nächsten 8 Jahre. Dieses Vorgehen wird aktuell von vielen nationalen Parlamenten in Europa mit dem Ziel unterstützt, einen ausgedehnten Schutz der EU-Außengrenzen zu garantieren und dadurch die Kontrollen an den innereuropäischen Binnengrenzen wieder abzuschaffen.

 

  • 2.  Die Frontex-Organisation soll zukünftig mehr Zuständigkeiten erhalten, d.h. es ist geplant, die Übernahme von hoheitlichen Grenzschutzaufgaben der einzelnen Mitgliedsstaaten zu übernehmen und auf dem jeweiligen Staatsgebiet selbstständig zu handeln. Schon im Juni 2018 haben EU-Spitzenpolitiker, u.a. auch die Bundeskanzlerin Merkel, sich darüber geeinigt, dass eine wirksame Kontrolle der EU-Außengrenzen sichergestellt und eine effektive Rückführung von Migranten deutlich verstärkt werden müsse. In dieser Hinsicht müssen eine erhebliche Aufstockung von EU-Mitteln und ein erweitertes Frontex-Mandat in den jeweiligen Grenzregionen ausgebaut werden.

Aber = ein erweitertes Mandat für die Frontex-Organisation führt insbesondere bei den EU-Sudländern zu Protesten, die um ihre Souveränität im eigenen Land fürchten.

 

  • 3.  Seit geraumer Zeit wird über die EU-Außengrenzen hinaus von der  EU eine   sogenannte „Pufferzone“ vorangetrieben, die in den Drittstaaten die Einreise nach Europa koordinieren, oder besser, verhindern soll. 

So wird eine sogenannte „Vorfeldsicherung“ im Sinne einer Vorverlagerungsstrategie von der EU und von Frontex betrieben, wobei Frontex faktisch für eine Grenzsicherung an der Nordküste und zwischenzeitlich auch im Inneren Afrikas zuständig wird.

Diese Kooperationsversuche zwischen der EU und insbesondere der Länder in Nord- und Zentralafrika hat zum Ziel, diese Länder bzw deren Regierungen zu belohnen, die Migration im eigenen Land zu kontrollieren oder bestenfalls zu unterbinden.

Dabei werden seit zwei Jahren, von der europäischen Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt, sogenannte „maßgeschneiderte Hilfspakete“ für die afrikanischen Regierungen angeboten, die dazu dienen, Rückführungsabkommen auszuhandeln und die Anzahl von Abschiebungen bzw Rückführungen nach Afrika zu erhöhen.

Das Ziel dieser diversen Abkommen ist es, die Migration nach Europa bereits in den Ursprungsländern zu stoppen.

Seit 2017 werden vom EU-Rat folgende Ziele verfolgt und öffentlich auch öffentlich verkündet = 

Geld nur bei Gegenleistungen, d.h.

Entwicklungshilfegelder nur bei möglichen Wiederrückführungen und Aufnahme von Flüchtlingen in deren Herkunftsländer    oder

Androhung des Verlustes von erleichterten Marktzugängen in den EU-Wirtschaftsraum

Dies führt zu verrückten Stilblüten in der Entwicklungshilfe seitens Europa gegenüber den afrikanischen Staaten, bspw. bekommt der Staat Niger eine Milliarde € als Entwicklungshilfe, um dafür dann Fahrzeuge, Radargeräte und Überwachungstechniken für seine Armee in Europa einzukaufen, die dann die Möglichkeit bietet, Flüchtlingsrouten für Frontex in Warschau per Satellitentechnik zu beobachten und Handlungsempfehlungen für die Armee auszugeben.

Kommentar eines Journalisten aus Niger = „Unser Land wird im Dienste Europas zu einem Friedhof von migrationswilligen Menschen verkommen.“

Fazit  = Die europäischen Regierungen haben es sich aktuell zum Ziel gesetzt, Afrikas Regierungen als „Türsteher nach Europa“ einzukaufen. Und Frontex ist die Überwachungskamera im Vorfeld dieser Tür für Europa. Flüchlingsursachen, ob politischer, ökonomischer oder ökologischer Art, interessieren hier nicht.

Autor*in
Jürgen Kemper